Wissenschaftler suchen Betroffene

Erwachsener Mann vor Kreuz
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Für eine Studie zu sexueller Gewalt in evangelischen Einrichtungen suchen Forschende nun Missbrauchs-Betroffene.
Studie zu Missbrauch
Wissenschaftler suchen Betroffene
Die Macher einer Studie zu sexualisierter Gewalt in evangelischen Einrichtungen haben Betroffene zu Beteiligung aufgerufen. "Schweigen stärkt die Macht der Täterinnen und Täter", sagte Detlef Zander am Donnerstag in München.

Zander ist als Kind selbst Opfer von schwerem Missbrauch in Einrichtungen der evangelischen Brüdergemeinde in Korntal geworden und ist nun als Co-Forschender an der Studie beteiligt. Das Institut für Praxisforschung und Projektberatung (IPP) München stellte am Donnerstag im Presseclub das Vorgehen einer Teilstudie vor, die das Ziel hat, Fälle von sexualisierter Gewalt und Machtmissbrauch im Bereich der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Diakonie Deutschland aus der Perspektive der Betroffenen zu rekonstruieren.

Es sei wichtig, dass sich viele Betroffene melden, betonte Zander. Es müsse klarwerden, dass es sexualisierte Gewalt im evangelischen Kontext gebe, und es müsse aufgedeckt werden, wie es zu solchen Taten komme und wie man sie verhindern könne.

Betroffene werden als Co-Forschende beteiligt

Den Betroffenen werde von den Forschenden mit Respekt, Wertschätzung und auf Augenhöhe begegnet, außerdem würden sie an der Studie als Co-Forschende beteiligt. Dieser Ansatz sei in der Aufarbeitung der 2010 bekanntgewordenen Missbrauchsfälle in der katholischen und evangelischen Kirche bisher einmalig. Zander sprach bei der Pressekonferenz von einem „Meilenstein“. Das Forschungsteam arbeite überdies unabhängig und sei an keine Weisung der Kirche gebunden.

Ein Aufruf an Betroffene im August habe wenig Resonanz gehabt, sagte Helga Dill vom IPP München, die die Teilstudie leitet. Sieben Interviews seien bisher geführt oder terminiert worden. Dies sei nicht viel und reiche nicht aus, um die ganze Bandbreite der sexualisierten Gewalt im Bereich der EKD abbilden zu können.

Die Teilstudie des IPP ist eingebunden in den Forschungsverbund "ForuM - Forschung zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt und anderen Missbrauchsformen in der evangelischen Kirche und Diakonie in Deutschland”. Finanziert werden die insgesamt fünf Teilstudien und eine Metastudie in Form einer Zuwendung der EKD. Laut den Machern kosten sie 3,5 Millionen Euro. Die Ergebnisse sollen Ende 2023 vorliegen. Erkenntnisse darüber, wie hoch die Dunkelziffer von Fällen sexualisierter Gewalt in der Kirche ist, würden die Studien nicht liefern, hieß es. Bisher geht die EKD von etwa 900 Fällen seit 1945 aus.