TV-Tipp: "Das Quartett: Der lange Schatten des Todes" (ZDF)

Alter Fernseher vor einer Wand
Foto: Getty Images/iStockphoto/vicnt
TV-Tipp: "Das Quartett: Der lange Schatten des Todes" (ZDF)
12.10., ZDF, 20.15 Uhr
Die Suche nach neuen Geschichten ist schon schwer genug, aber wenn Sender eine neue Krimireihe einführen wollen, stehen sie vor einer weitaus größeren Herausforderung: weil sämtliche Konstellationen bereits existieren; und das in vielfacher Ausführung. Mit "Das Quartett" setzt das ZDF nun auf Vielköpfigkeit, selbst wenn Anja Kling als Leiterin der Leipziger Mordkommission der unumschränkte Star ist.

Maike Riems Team-Mitglieder zeichnen sich durch besondere Eigenschaften aus, allen voran der hochbegabte Linus Roth (Anton Spieker), der ein fotografisches Gedächtnis hat, im Umgang mit Menschen außerhalb seines Teams aber gewisse Schwächen aufweist; typische Merkmale also, wie sie in Filmen gern Autisten zugeschrieben werden. Unter anderem hat er eine Beifahrerneurose: Autofahren kann er nur, wenn er selbst am Lenkrad sitzt. Pia Walther (Annika Blendl) bringt ihren Briard mit ins Büro, neigt aber seit dem unerwarteten Tod ihres Lebensgefährten in Stressmomenten zu Kontrollverlust, was sich auch mal in impulsiver Gewalt äußern kann. Im Unterschied zur geschiedenen Chefin führt Christoph Hofherr, ein Kommissar mit russischen Wurzeln, der im Grunde zu sensibel für den Job ist, ein glückliches Familienleben. Shenja Lacher hat seine schönste Szene, als Hofherr ein kleines Mädchen befragt und sich erst mal die kindlichen "Fachbegriffe" ("Schoko-Schmusi") übersetzen muss.

Die Figuren sind also schon mal interessant, und als Ensemble ist die Gruppe ohnehin gut zusammengestellt; wenn die vier miteinander agieren, wirken sie tatsächlich wie ein eingespieltes Team. Natürlich braucht das Quartett zum Auftakt auch einen Fall, der aus dem Rahmen fällt, und das ist angesichts von Dutzenden Krimigeschichten in jeder Fernsehwoche selbst für einen so profilierten Autor wie den gefeierten Schriftsteller Friedrich Ani eine kaum zu lösende Aufgabe. Gemeinsam mit Koautorin Ina Jung hat er zuletzt diverse Vorlagen für mehr als bloß sehenswerte Episoden der ZDF-Reihe "München Mord" geschrieben, aber die Drehbücher lebten nicht zuletzt vom Lokalkolorit.

Davon ist bei "Der lange Schatten des Todes" nichts zu spüren, der Film könnte auch in Hamburg oder Berlin spielen. Trotzdem ist die Handlung zunächst interessant, weil das Quartett eine ganz spezielle Arbeitsweise hat: Nach dem Fund einer Leiche erstellt Roth umgehend einen dreidimensionalen Film, damit sich die Teammitglieder im Kommissariat bei Bedarf immer wieder den Fundort anschauen können. Auf diese Weise entdecken sie einen verdächtigen Wagen, der sie prompt auf eine heiße Spur führt: Das Opfer, ein älterer Mann, hat vor einigen Jahren ein Mädchen überfahren. Er wurde zwar freigesprochen, hat sich seither aber zur Wiedergutmachung liebevoll um die Kinder aus der Nachbarschaft gekümmert, was ihm prompt üble Nachrede eingebracht hat. Zwei Männer sind dabei besonders unangenehm aufgefallen. Die verbitterte Mutter (Nadja Bobyleva) des toten Mädchens gerät zwar vorübergehend ebenfalls ins Visier der Polizei, hat aber ein wasserdichtes Alibi für die Tatzeit.

Das klingt nach typischer Krimihandlung, wie sie im Grunde auch für eine "Soko"-Folge reichen würde, und tatsächlich bleibt die anfängliche Faszination irgendwann auf der Strecke, weil selbst eine profilierte Regisseurin wie Grimme-Preisträgerin Vivian Naefe der Geschichte in der zweiten Filmhälfte kaum noch Spannung abgewinnen kann, zumal sich die nicht sonderlich aufregend inszenierten Vernehmung häufen. Erfahrene Krimifans werden sich ohnehin fragen, warum das Ermittlerquartett eine Person übersieht, die ein eindeutiges Tatmotiv hätte; die Couchkriminalisten haben allerdings den Vorteil, dass dieser Verdächtige seinerseits Hauptdarsteller einer ZDF-Krimireihe ist. Auch bei anderen Figuren erweist sich die Besetzung als problematisch: Einer der beiden feindseligen Nachbarn wird von Robert Galinowski verkörpert, der grundsätzlich zwielichtige Gestalten spielen muss und von Naefe schon bei seinem ersten flüchtigen Auftritt als Verdächtiger inszeniert wird. Als sich der Mann bei der Vernehmung auf Riem stürzt, um sie zu erwürgen, scheint der Fall ohnehin klar; ist er aber natürlich nicht, zumal auch die verlassene Ex-Frau (Kirsten Block) nicht gut auf das Opfer zu besprechen war. Die Rolle der aktuellen Lebensgefährtin ist mit Anneke Kim Sarnau zwar eher überbesetzt, aber das gilt auch für die beiden Männer aus Riems Privatleben (Peter Benedict als Ex-Gatte, Simon Böer als verheirateter Geliebter).

Ansonsten unterscheidet sich "Der lange Schatten des Todes" von anderen Krimis im Grunde nur durch die Tatsache, dass gleich zwei der vier Teammitglieder rauchen, und das sogar am Arbeitsplatz. Und noch eins fällt auf: Naefes langjähriger Kameramann Peter Döttling hat dafür gesorgt, dass Anja Kling, die sich ihre Attraktivität in vielen Rollen wegschminken lässt, in schönstem Licht erstrahlt.