Ursulinen-Orden wird 475 - und schrumpft bedenklich

Ursulinen-Orden wird 475 - und schrumpft bedenklich
Lange galten sie als Elite-Orden wie die Jesuiten. Die Ursulinen, die jetzt 475 Jahre Bestehen feiern, waren ihrer Zeit voraus. Schon im 16. Jahrhundert widmete sich der Orden der Bildung von Mädchen. In Deutschland schrumpft die Gemeinschaft, ihre Zukunft ist ungewiss.
26.04.2010
Von Yuriko Wahl

Das Kloster ist in der obersten Etage eines Seniorenhauses untergebracht. Die betagten Ordensschwestern wohnen jeden Morgen der Eucharistiefeier in einer modernen Kapelle bei - ebenfalls im dritten Stock des Altenheims. Oberin Schwester Lioba lebte lange in ehrwürdigem Klostergemäuer. Doch dann ging es ihr und den sieben Mitschwestern aus Hersel bei Bonn wie vielen anderen Ursulinen: In kleinen Gruppen sind sie in Wohnungen umgezogen, häufig unter dem Dach von Seniorenheimen. Der Bildungsorden hat auch fast alle Schulen an andere Träger abgegeben. Viele Schwestern sind sehr alt, der Nachwuchs fehlt - und das im 475. Jahr des Bestehens.

Kaum junge Schwestern

"Unsere Konvente sind alle überaltert, es gibt nur wenige junge Schwestern", sagt Oberin Lioba (71), lange Leiterin eines großen Ursulinen-Gymnasiums für Mädchen. Die anderen Nonnen sind zwischen 66 und 87 Jahre alt, kümmern sich um Bildungsarbeit und Seelsorge. In Deutschland, Österreich und Südtirol gibt es noch 28 Konvente mit 330 Ursulinen, erzählt die Oberin, Vize-Vorsitzende der Ursulinen-Föderation im deutschsprachigen Raum. Jedes Haus arbeitet autonom, manche Schwestern tragen zivil, manche Tracht - in Hersel haben sich die Ursulinen für Haube und schwarze Kleidung entschieden.

"Die Ursulinen sind kein zentral geführter Orden und dem gemeinen Mann auf der Straße wohl eher nicht bekannt", sagt Historiker Joachim Oepen vom Historischen Archiv des Kölner Erzbistums. Dabei sind ihre Botschaften noch heute aktuell. "Wertschätzung, Ermutigung, das Fördern von Selbstständigkeit und freiem Denken ohne Druck. Das ist das Grundkonzept. Alle empfinden das als wohltuend. Ich merke in meinen Kursen, wie Menschen damit in kritischen Alltagssituationen aufblühen", erzählt Schwester Lioba.

Bildungs- und Schulorden für Mädchen

Die "Gemeinschaft der Heiligen Ursula" war 1535 von Angela Merici in Italien gegründet worden. Die Frau war eine Visionärin, ihrer Zeit weit voraus, sagt Historiker Oepen. "Die Ursulinen haben sich der Bildung von Frauen und Mädchen verschrieben und Elementarfächer wie Lesen, Schreiben, Rechnen und Handarbeit unterrichtet." Merici war auch die erste Frau, die je für eine Frauen-Gemeinschaft eine eigene Regel schrieb - progressiv für die damalige Zeit.

Die Ursulinen lebten stets in Armut und ehelos, suchten immer die Nähe zu den Menschen und entwickelten sich zu einem Bildungs- und Schulorden. 1639 kamen die ersten Ursulinen nach Deutschland und gründeten ein Kloster in Köln. Ihre Mädchenschule ging erst vor einigen Jahren in die Trägerschaft des Kölner Erzbistums über. Als ab 1802 alle Klöster von den französischen Besatzern aufgelöst und deren Besitztümer verstaatlicht wurden, blieben die Ursulinen verschont. "Weil sie nicht viel Besitz hatten und vor allem, weil sie Unterricht gaben", erklärt der Experte.

So gab es bei den Ursulinen keinen Bruch in der Geschichte, was sehr selten ist unter den alten Orden. "Das hat auch eine gewisse Tragik, denn die Ursulinen wissen: Irgendwann stirbt die letzte Schwester und dann war's das. Eine Jahrhunderte lange Kontinuität wird dann in Deutschland aussterben", befürchtet der Historiker. Auch den anderen gehe es nicht besser. "Bis in die 60er Jahre hatten die tätigen Orden stabile Mitgliedszahlen, danach bricht das fast überall ab. Seit den 80er und 90er Jahren hat das große Sterben eingesetzt."

"Wir sind im Umbruch"

Die Ursulinen legen ihre Hände nicht in den Schoß, wollen ihre religiöse Kompetenz und spirituelle Kraft weitergeben. "Die Frage ist, wie wir das Ideengut weiterreichen. Denn die Idee stimmt ja, nur die Form nicht mehr", sagt die Oberin, die selbst als Mädchen ein Ursulinen-Internat besucht hatte. "Die Kombination von Spiritualität, Weltoffenheit und Zugewandtheit zum Menschen hat mich schon früh überzeugt."

Im Jubiläumsjahr gibt es Pilgerfahrten, Internet-Meditationen, neue Bücher, Feste stehen an. "Wir sind im Umbruch, vieles wird zerbrechen, was uns am Herzen liegt, aber wir nehmen das bewusst an, wir erleiden das nicht", betont Schwester Lioba. Und ganz im Gegensatz zur Situation in Deutschland haben die Ursulinen in vielen anderen Ländern noch Zulauf. "Es gibt 10.000 bis 11.000 Ursulinen weltweit und vor allem in Asien viel Nachwuchs. Die Situation in Deutschland ist sehr schwierig. Aber weltweit kann man sagen: Der Orden lebt."

dpa