TV-Tipp des Tages: "Fallen" (Arte)

TV-Tipp des Tages: "Fallen" (Arte)
Fünf Jugendfreundinnen treffen sich 14 Jahre nach dem Schulabschluss auf der Beerdigung ihres Lieblingslehrers. Damals schwärmten sie von Utopie, wollten frei sein und gemeinsam ein Haus bauen.
20.04.2010
Von Tilmann P. Gangloff

"Fallen", 21. April, 21.45 auf Arte

Fünf Jugendfreundinnen treffen sich 14 Jahre nach dem Schulabschluss auf der Beerdigung ihres Lieblingslehrers. Die nun folgenden Verwicklungen hat man schon in diversen Geschichten aus dem Genre Klassentreffen gesehen: alte Rechnungen, neue Missgunst, geplatzte Träume. Zwei Tage lang (und die Nacht dazwischen) schaut Barbara Albert (Buch und Regie) ihren Antiheldinnen dabei zu, wie sie auf die Konfrontation mit den gescheiterten Idealen von einst reagieren. Damals schwärmten sie von Utopie, wollten frei sein und gemeinsam ein Haus auf einer malerischen Lichtung bauen.

Mit Nina Proll, Birgit Minichmayr und Gabriele Hegedüs

Die Wirklichkeit sieht anders aus. Alex (Ursula Strauss) arbeitet auf dem Arbeitsamt, und Nina (Nina Proll) wundert sich, dass sie sich dort noch nie begegnet sind: Sie ist Stammkundin. Brigitte, Lehrerin (Birgit Minichmayr), hatte seit Jahren ein Verhältnis mit just jenem Kollegen, dessen Begräbnis sie alle zurück in ihren kleinen Heimatort gebracht hat. Nicole (Gabriele Hegedüs) ist schon von Weitem anzusehen, dass ihre Existenz in jeder Hinsicht gescheitert ist. Die hübsche Carmen (Kathrin Resetarits) scheint es als einzige zu etwas gebracht zu haben: Sie ist eine offenbar erfolgreiche Schauspielerin. Ein Blick hinter die schöne Fassade zeigt sie beim Synchronisieren eines Werbespots.

Barbara Albert erzählt all dies ohne jede Häme. Im Gegenteil: Wenn die Frauen, alle Anfang bis Mitte dreißig, bei ihrer Reise durch die Nacht unvermutet auf der Hochzeitsfeier eines früheren Mitschülers landen und dort mit Hilfe entsprechender Mengen Alkohols die vergangenen Jahre wegtrinken, schimmern prompt die Mädchen von einst durch. Plötzlich ist der Unterschied zwischen dem Jetzt und den Fotos von damals, die der Film als Kapiteltrenner einsetzt, gar nicht mehr so groß. Der Katzenjammer bleibt dennoch nicht aus, zumal der flüchtige Sex den bitteren Nachgeschmack der durchzechten Nacht erst recht vergrößert.

Quintett versackt nicht in Depression

Für den Film gilt das nicht. Eine Einstellung genügt, um anzudeuten, dass das Potenzial bloß verschüttet, aber nicht verschwunden ist: Da sitzen die fünf Frauen vor einem Lokal, aus einem geparkten Auto ertönt Reggae-Musik, und schon geht die Sonne auf. Der Effekt verpufft zwar, als das Auto weiterfährt, doch das Quintett versackt trotzdem nicht in Depression. Deshalb darf man auch die Schlusseinstellung positiv interpretieren: Sie zeigt eine Schulklasse von heute, in der sich die jungen Leute für die gleichen Utopien erwärmen wie die Mädchenclique von einst.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und die "Frankfurter Rundschau" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).