EU-Koordinator: Terrorgefahr "unverändert hoch"

EU-Koordinator: Terrorgefahr "unverändert hoch"
Die Gefahr terroristischer Anschläge in Europa ist unverändert hoch. "Auch wenn Europa nicht mehr Ziel von Anschlägen war, heißt das nicht, dass es keine Bedrohung mehr gibt", warnte der Koordinator für Terrorismusbekämpfung der EU, Gilles de Kerchove, in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa: "Dieser Eindruck entspricht nicht der Wahrheit." Zwar sei die Zahl der Anschläge und Attentatsversuche gesunken, doch Al-Kaida und andere islamistische Gruppen seien immer noch sehr aktiv.

Die letzten großen Terroranschläge in Europa liegen schon Jahre zurück. 2004 starben bei Bombenattentaten auf Vorortzüge in der spanischen Hauptstadt Madrid 191 Menschen. 2005 kamen in London bei Selbstmordanschlägen in der U-Bahn 56 Menschen ums Leben. Nach Madrid hatte die EU den Posten des Anti-Terror-Koordinators geschaffen; de Kerchove ist seit 2007 im Amt.

EU-Experte Gilles de Kerchove zählt Deutschland neben Spanien und Großbritannien zu den Ländern mit dem höchsten Risiko. "Das Bedrohungsszenario verschiebt sich laufend." Wenn die Behörden eines Landes besonders intensiv gegen Islamisten vorgingen, wechselten sie rasch das Land. Großbritannien und die Niederlande hätten zuletzt ihre Sicherheitsstufe heruntergesetzt. "Man kann nicht jederzeit das höchste Level halten, weil es zu viel kostet und die Aufmerksamkeit der Menschen nachlässt."

International Armut bekämpfen ist der beste Schutz

In Deutschland geht nach Ansicht des EU-Experten Gefahr von zwei Gruppen aus: Auf der einen Seite gebe es viele terrorbereite Islamisten mit deutschem Pass, die in Camps im Ausland geschult würden und dann nach Deutschland zurückkämen. "Deren Zahl ist durchaus bedeutend", sagte de Kerchove, ohne sie genau zu beziffern. Auf der anderen Seite wachse die Zahl der zum Islam übergetretenen jungen Männer mit radikalen Vorstellungen. "Es gibt durchaus Gründe, besorgt zu sein", sagte der Belgier.

Der Terrorismus breite sich vor allem in Afghanistan, Pakistan, dem Jemen, Somalia und der Sahel-Zone aus - schwache Regionen, die wegen wachsender Armut anfällig für die Rhetorik der Islamisten seien. Der Attentäter des vereitelten Anschlags auf ein Flugzeug in Detroit im Dezember 2009 war in einem Camp im Jemen ausgebildet worden.

Nach Ansicht de Kerchoves müssen die EU-Staaten im Kampf gegen den Terrorismus den Entwicklungsländern unter die Arme greifen: "Das heißt: Entwicklungspolitik in Form von Präventionsprogrammen gegen Radikalisierung." Zum Beispiel gebe es in Bangladesch viele junge Männer ohne jede Zukunftsperspektive. "Ihre einzige Ausbildung besteht darin, den Koran auf Arabisch auswendig zu lernen. Das verschafft ihnen später keinen Job." Die weltweite Wirtschaftskrise verschlimmere die Lage: "Die EU-Staaten fahren ihre Ausgaben für Hilfsprogramme herunter - dabei müssen wir mehr helfen."

dpa