Wie sich Hilfsorganisationen auf den Ernstfall vorbereiten

Wie sich Hilfsorganisationen auf den Ernstfall vorbereiten
Planung und professionelle Logistik sind auch für Hilfsorganisationen wichtig: Sabine Friederike Schulz, 31, ist Unternehmensberaterin und hat ihre Doktorarbeit über Warenlogistik in der Katastrophenhilfe verfasst. Das folgende Interview aus der Februar-Ausgabe der evangelischen Zeitschrift "chrismon" veröffentlichen wir aus aktuellem Anlass vorab:
13.01.2010
Die Fragen stellte Dorothea Heintze

Frage: Kaum geschieht eine Katastrophe, schon sind deutsche Helfer vor Ort. Was wollen Sie verbessern?

Sabine Friederike Schulz: Auch wenn es zynisch klingt: Katastrophen sind besser planbar, als man denkt. Wir wissen längst, welche Regionen der Erde von Erdbeben, Fluten oder Hungersnöten bedroht sind. Darauf könnten sich Hilfsorganisationen besser einstellen.

Frage: Wie?

Schulz: Indem sie zum Beispiel über strategische Lagerhaltung in katastrophengefährdeten Regionen nachdenken und mit anderen Hilfsorganisationen kooperieren. Es muss ja nicht jeder überall sein eigenes Lagerhaus unterhalten.

"Unterstützung von professionellen Dienstleistern holen"

Frage: Sondern?

Schulz: Die Organisationen können sich zusammentun, dann den Einkauf, die Lagerhaltung und auch den Transport gemeinsam planen und frühzeitig Rahmenverträge mit Lieferanten abschließen. Sie könnten sich dabei auch Unterstützung von professionellen Logistikdienstleistern holen. Die haben nämlich das Wissen, Lagerhaltung und Transportwege zu optimieren und kennen oft die Details von Import- und Exportvorschriften. Und sie haben die neuesten Technologien, um die Warenströme zu verfolgen.

Frage: Aber private Unternehmen wollen nicht Menschen retten, sondern Waren transportieren. Das ist doch ein Unterschied, oder?

Schulz: Auch das ist für Laien vielleicht nicht gleich klar. Aber: Katastrophenlogistik und Unternehmenslogistik sind nicht zwei verschiedene Dinge, sondern folgen den gleichen Grundsätzen.

Frage: Warum nutzen dann nicht alle Hilfsorganisationen dieses Know-how?

Schulz: In Katastrophenfällen gilt leider immer noch bei vielen die Devise: "Egal was es kostet, wir müssen so schnell wie möglich dahin." Wer als Erster da ist, kommt ins Fernsehen und das gibt mehr Spenden.

Frage: Wer macht es denn schon heute besonders gut?

Schulz: In meiner Dissertation habe ich drei Fallstudien über bereits bestehende Kooperationsinitiativen vom World Food Programm, dem Internationalen Roten Kreuz und der EU durchgeführt. Und ja, es ist sinnvoll und preisgünstiger, sich zu vernetzen. Das konnte ich deutlich aufzeigen.

"Gut ist, Spenden nicht an einen konkreten Zweck zu binden"

Frage: Und alle anderen verpulvern ihr Geld?

Schulz: So kann man das nicht sagen. Viele große deutsche Hilfsorganisationen haben bereits erkannt, dass sie professionelle Logistiker einstellen müssen, die auch Erfahrungen in Unternehmen haben und sich mit dem Service- und Technologiestand der Branche auskennen. Andere aber besetzen diese Posten immer noch mit gutmeinenden Laien nach dem Motto: Wolldecken verschiffen kann jeder.

Frage: Was empfehlen Sie den Spendern?

Schulz: Wenn Sie bei einer Katastrophe spenden wollen, dann nehmen Sie eher eine große, erfahrene Organisation, die mit Partnern im betroffenen Land selbst arbeitet. Die wissen über Zollvorschriften und Probleme der Inlandslogistik besser Bescheid als viele eingeflogene Helfer kleinerer Organisationen. Gut ist auch, wenn Sie Ihre Spende nicht an einen Zweck wie beispielsweise "Flutopfer Samoa" binden. Im Extremfall heißt das nämlich, dass das Geld auch dann dorthin gehen muss, wenn es gar nicht mehr nötig ist. Spenden ohne direkten Bezug lassen sich viel wirkungsvoller von den Hilfsorganisationen einsetzen und zum Beispiel für strategische Vorbereitungen nutzen.  

Zur Zusammenstellung von Spendenkonten für die Opfer des Erdbebens auf Haiti