Der Troja-Mythos treibt die Archäologen weiter an

Der Troja-Mythos treibt die Archäologen weiter an
Kaum ein anderer Ausgrabungsort übt eine solche Faszination aus wie Troja in der Westtürkei. Mit seinem weltberühmten Epos "Ilias" hat der griechische Dichter Homer nicht nur die Grundlage für die europäische Literatur gelegt, sondern auch einen Mythos geschaffen, dessen Kraft bis heute wirkt. Gemessen daran nimmt sich der wissenschaftliche Aufwand, der zur Erforschung des legendären Ortes mit seiner 4000-jährigen Siedlungsgeschichte betrieben wird, geradezu bescheiden aus.
06.01.2010
Von Edgar Neumann

Hoch qualifizierte Forscher von Experten für verschiedene Epochen über Anthropologen bis zu Materialspezialisten hangeln sich mit knappen Mitteln von einer Grabungskampagne zur nächsten - und das an einem Ort, der seit 1998 Unesco-Weltkulturerbe ist.

Zwar sehen viele die aus zehn übereinanderliegenden Siedlungsschichten bestehende antike Stadt nahe den Dardanellen als weitgehend erforscht an. Das gilt aber allenfalls für die Burg. Ungeklärt und wissenschaftlich umstritten sind jedoch die Ausdehnung sowie die geopolitische und wirtschaftliche Bedeutung Trojas in der Bronzezeit. Wie groß war die Unterstadt? Wie viele Bewohner lebten hier zwischen 1700 und 1100 v.Chr.? War der Ort nur ein kleines regionales Zentrum oder ein bedeutsames Fürstentum an einer strategisch wichtigen Stelle? Lebten die Trojaner dieser Epoche nur von Ackerbau, Viehzucht und Handwerk oder war ihre Stadt auch der Knotenpunkt internationaler Handelswege?

Auf der Spur des Hafens für den "Welthandel"

Grabungsleiter Prof. Pernicka und sein Vorgänger, der Tübinger Archäologe Manfred Korffmann, fanden in den vergangenen 21 Jahren schon viele Belege dafür, dass Troja in der Spätbronzezeit eine ausgedehnte Unterstadt aufwies. Deren bis zu 10.000 Einwohner wurden von einem weitläufigen und mächtigen Verteidigungsgraben geschützt. Um aber die Anlage und Struktur dieser Stadt genauer bestimmen zu können, wären großflächige Grabungen mit erheblichem finanziellen Aufwand nötig.

Außerdem will Pernicka das Umland genauer erforschen. So wurden bei Grabungen an einem Siedlungshügel 20 Kilometer südlich von Troja zahlreiche Tongefäße aus der Bronzezeit gefunden. Da der Ort einmal an einer Meeresbucht lag, die mittlerweile verlandet ist, könnte hier der Hafen für den "Welthandel" zu suchen sein.

Hoffnung auf Erforschung des Schliemann-Fundes

Auch ranken sich noch viele Legenden um den "Schatz des Priamos". Der umfangreiche Goldfund, den der deutsche Ausgräber Heinrich Schliemann 1873 in Troja entdeckte und nach Deutschland schmuggelte, lagert in Moskau. Dorthin hatten die sowjetischen Truppen am Ende des Zweiten Weltkrieges den antiken Schmuck und die zahlreichen Gefäße aus Gold gebracht. Pernicka, von Hause aus Experte für alte Materialen, würde das Gold gerne mit einem Laser untersuchen, um seine Zusammensetzung und damit seine Herkunft zu bestimmen.

Vorarbeiten hat der Tübinger Wissenschaftler an anderen Goldfunden aus Troja geleistet, die unter anderem in Philadelphia in den USA liegen. "Wir wollen zeigen, dass wir das können und hoffen so, Russland zu bewegen, uns die Erforschung des Schliemann-Fundes zu ermöglichen." Dazu müsste Pernicka allerdings mit einem mobilen Lasergerät nach Moskau reisen, weil die russische Regierung das Gold nicht aus dem Land lassen würde.

"Schatz des Priamos"

 Er galt lange Zeit als verschwunden und tauchte erst 1991 im Puschkin-Museum in Moskau auf: der als "Schatz des Priamos" bezeichnete Troja-Goldfund des deutschen Archäologen Heinrich Schliemann von 1873. Schliemann hatte den aus 8800 Teilen bestehenden Goldfund am 31. Mai 1873 entdeckt - kurz bevor er seine bis dahin erfolglosen Ausgrabungen in der Türkei beenden wollte. Er ordnete den Schatz dem trojanischen König Priamos aus Homers "Ilias" zu. Wie sich herausstellte, gehört die Schicht, in der das Gold gefunden wurde, aber zu einer früheren Epoche um 2500 v. Christus.

Auf verschlungenen Wegen brachte der Archäologe die Schmuckstücke, Perlen und einen doppelhenkeligen Becher nach Deutschland. Nach der Besetzung Berlins am Ende des Zweiten Weltkrieg nahmen Sowjettruppen das in einem Flak-Bunker gesicherte Gold nach Russland mit.

Vor gut einem Jahr wurden im Berliner Museum für Vor- und Frühgeschichte 55 kleine goldene Schmuckteile aus dem Schatz entdeckt. Darunter sind auch 15 fein granulierte runde Zierbuckel - sogenannte Tutuli - mit einem Durchmesser von sieben bis acht Millimetern, die an Kleidungsstücken angebracht wurden. Die Schmuckstücke hatten zwischen Keramik und Steinobjekten aus der legendären antiken Stadt gelegen.

dpa