2010 droht bereits die nächste Krise

2010 droht bereits die nächste Krise
Das Jahr 2010 dürfte vor allem ein Jahr der Unsicherheiten werden. Viele Menschen wissen nicht, ob sie ihren Job behalten werden. Experten fürchten eine zweite Welle der Bankenkrise, die die Wirtschaft wieder in die Tiefe ziehen könnte. Die Bundesregierung hat sich noch nicht auf einen Reformkurs festgelegt: aus Unsicherheit, aus Uneinigkeit und weil sie vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai die Bürger nicht verärgern will.
02.01.2010
Von Markus Jantzer

Die Prognosen der Wirtschaftsforscher sind widersprüchlich und geben keine Orientierung. So verkündet beispielsweise die Gesellschaft für Konsumforschung, die Stimmung der Verbraucher habe sich abgekühlt, und gleichzeitig teilt sie mit, die Kauflaune sei ungebrochen. Wer die Einschätzungen von Wirtschaftsinstituten im Verlauf nur eines einzigen Quartals miteinander vergleicht, gewinnt den Eindruck, in den Denkfabriken der Ökonomen geht es zu wie an der Börse: ein Auf und Ab, das rational kaum zu erklären ist.

In einem Punkt scheinen sich die Finanzexperten aber einig: Die Banken haben weltweit die in der Finanzkrise erlittenen Verluste längst nicht abgetragen. Trotz der milliardenschweren Abschreibungen und staatlichen Hilfen im Jahr 2008. Der Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF), Dominique Strauss-Kahn, wagt sogar eine quantitative Festlegung. Nach seiner Ansicht ist die Hälfte der Verluste noch in den Bilanzen versteckt - mit unabsehbaren Folgen für die Volkswirtschaften. Im Jahr 2010, sagt Strauss-Kahn voraus, werden die Regierungen nicht wieder Hunderte Milliarden Euro in den Finanzsektor stecken.

Weitere Kreditklemme

Doch was passiert dann? Müssen Banken untergehen und mit ihnen Tausende Jobs in der Finanzbranche? In jedem Fall werden ohne staatliche Hilfe die Kreditspielräume der Banken deutlich kleiner werden. Kreditklemmen drohen - mit negativen Folgen für Investitionen und Wachstum. Kaum vorstellbar, dass die Regierungen bei einer krisenhaften Entwicklung tatenlos bleiben.

Der Arbeitgeberverband setzt die Bundesregierung unter Druck. Er hofft, dass Schwarz-Gelb auf die wirtschaftspolitischen Rezepte des Arbeitgeberlagers setzt und die Sozialsysteme zur Entlastung der Unternehmen reformiert. Manche aus der Finanzbranche wie etwa der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter, fordern schon eine Agenda 2020. Dazu gehört laut Vordenker Walter unter anderem, Einkommen- und Körperschaftsteuer auf einheitlich 20 Prozent festzusetzen sowie eine "obligatorische Selbstbeteiligung der Bürger an ihren Gesundheitskosten mit 15 Prozent". Außerdem müsse die Rente mit 67 früher kommen als von der großen Koalition beschlossen. Mittelfristig müsse das Renteneintrittsalter sogar weiter erhöht werden. "Wer länger lebt, muss auch länger arbeiten", sagt der 65-jährige Bankangestellte, der vor Jahresende in den Ruhestand ging.

Keine Korrekturen beim Kündigungsschutz

Bis jetzt hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) solchem Drängen widerstanden. Sie war vielmehr stets um ein gutes Verhältnis mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) bemüht. Der Koalitionsvertrag sieht daher keine Korrekturen an der Mitbestimmung oder am Kündigungsschutz vor. Auch sind sich Kanzlerin und DGB-Chef Michael Sommer darin einig, dass die Finanzmärkte stärker reguliert werden müssen. Doch es zeichnen sich erste ernsthafte Konflikte ab: Sommer warnt die Bundesregierung, die Haushaltskonsolidierung mit einem "Griff in die Sozialkassen" zu betreiben. Gegen eine neue Gesundheitsreform kündigt er Widerstand an, sollte mit ihr "Entsolidarisierung praktiziert" werden, wie Sommer befürchtet.

Merkel wird mit den 6,4 Millionen Mitglieder zählenden DGB-Gewerkschaften vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen im Mai Streit vermeiden wollen. Denn bleibt die CDU dort an der Macht, dann hat sie im Bundesrat leichteres Spiel. Was CDU und FDP aber mit Mehrheiten im Bund und den Ländern anfangen würden, ist ebenso ungewiss, wie es die konjunkturellen Aussichten für Deutschland sind.

epd