Aus dem Maschinenraum (12): Die neue "Bild"-App

Aus dem Maschinenraum (12): Die neue "Bild"-App
Der Springer-Verlag hat für seine Zeitungen "Bild" und "Welt" neue, kostenpflichtige Applikationen fürs Iphone herausgebracht. Lohnt sich so ein Abo, beispielsweise von "Bild"? Unser Kolumnist Michael Stein hat Zweifel.
10.12.2009
Von Michael Stein

Mit der "Bild-Zeitung" ist es so wie mit McDonald's: Keiner gibt es zu, aber alle kaufen es. Jetzt kann man die Zeitung mit den großen Buchstaben also auch auf dem Iphone lesen. Und man mag es kaum glauben: Zur Zeit steht das kleine Iphone-Programm (im Smartphone-Jargon "App", sprich: "Äpp", genannt) auf Platz eins der Iphone-Hitparade. 79 Cent – da konnten die meisten offenbar nicht widerstehen. Schon ab 22 Uhr stehen die Themen der Ausgabe des nächsten Tages damit online zur Verfügung. "Sexy-Bild-Girl zum Ausziehen" inklusive. "Während andere erst am nächsten Tag wissen, welche Themen Deutschland bewegen, kennen Sie diese schon am Abend zuvor!" heißt es im Werbetext zur "Bild"-App. Ich bin sicher: Darauf hat Deutschland gewartet.

Kosten versteckt

Kleiner Schönheitsfehler: Offenbar ist es mit den 79 Cent nicht getan. Diese Information haben die App-Macher jedoch im langen Beschreibungstext zum Programm gut versteckt. Fast erinnert das ein wenig an die getarnten Gebühren-Hinweise so mancher Abzocker-Seiten, bei denen man eigentlich nur ein Kochrezept downloaden wollte, ruckzuck aber ein Jahresabo an der Backe hat. Wenn man also genau hinschaut, dann erfährt man, dass man für die 79 Cent das Programm nur einen Monat lang ausprobieren darf und danach noch einmal kräftiger zur virtuellen Kasse gebeten wird. 1,59 Euro pro Monat sind das allein für die Nutzung der Online-App. Wer dazu noch die PDF-Version des gedruckten Blattes online beziehen will, zahlt dafür insgesamt 3,99 Euro im Monat. Das alles aber schienen die meisten der Nutzer nicht zu ahnen, die die App direkt am ersten Tag geladen und auf diese Weise zum Spitzenreiter gemacht haben. Denn zunächst waren diese Preise auf der Beschreibungsseite der App nicht zu finden. Und so machten sich die ersten Nutzer im Internet bereits kräftig Luft. Mittlerweile sind die Preise daraufhin aber nachgetragen worden.

Aber unter uns: Wofür sollte man 1,59 Euro pro Monat für einen Online-Dienst bezahlen, den andere kostenlos bieten? Radio und Fernsehen oder Seiten wie tagesschau.de und die Homepages der Radio- und TV-Sender sind bei aktuellen Ereignissen so schnell und aktuell, dass ein Abo einer Boulevard-Zeitung nun so gar nicht einleuchten will. Zumal man mit seinem Iphone jede beliebige Website kostenlos aufrufen und anschauen kann. Also 1,59 Euro für das "Sexy Bild-Girl zum Ausziehen"?

Iphones müssen draußen bleiben

Übrigens war bei Springers wohl ursprünglich geplant, Iphone-Nutzer vom normalen Webangebot auszusperren, damit diese die kostenpflichtige Abo-App kaufen sollten. Davon scheint man sich mittlerweile aber wieder verabschiedet zu haben - die Proteste und Kommentare im Web waren wohl zu groß.

Der Vorstoß von "Bild-Zeitung" und auch "Welt" kommt fast zeitgleich mit der noch für Dezember erwarteten Einführung eines kostenpflichtigen Dienstes des "Spiegel". Der ist zwar noch nicht am Start, scheint aber deutlich mehr Sinn zu machen. Denn dort wird man die komplette Ausgabe des gedruckten "Spiegel" online per Iphone lesen können. Und für ein Heft mit gut recherchierten und ausführlichen Hintergrund-Geschichten sind eben nach wie vor mehr Menschen bereit, etwas zu bezahlen. Das gilt für die Print- und vermutlich auch für die Online-Ausgabe eines Nachrichtenmagazins. Tageszeitungen hingegen – und vermutlich auch kostenpflichtige Online-Angebote derselben – werden es da wohl deutlich schwerer haben. Das dürfte erst recht für solche mit großen Buchstaben und wenig Inhalt gelten. Noch ein kleines Häppchen Bilddeutsch ganz zum Schluss gefällig? "Jetzt geht Bild App" heißt es da in der Beschreibung des Programms. Ich habe erst gar nicht verstanden, was uns der Texter da sagen wollte.


Über den Autor:

Michael Stein (Konfirmation 1976) arbeitet seit 1986 als Wissenschaftsjournalist mit Schwerpunkt Technik für Radio, Fernsehen, Print- und Online-Medien. Parallel zum Beruf studiert er seit 2004 in Wuppertal und Bochum Evangelische Theologie, um irgendwann einmal Journalist und Pfarrer zu sein. Für evangelisch.de schreibt er in seiner Kolumne "Maschinenraum" jede Woche über Technik, was wir mit ihr machen -und was sie mit uns macht.