Perfider Brief an Politiker mit Migrationshintergrund

Perfider Brief an Politiker mit Migrationshintergrund
Ein Brief an Politiker mit Migrationhintergrund, der sie zur "Heimreise" auffordert: Die rechtsextreme NPD kämpft kurz vor der Wahl mit gezielten Attacken um Aufmerksamkeit.

Rund 30 Bundestagskandidaten und Bezirksverordnete in Berlin haben Post vom "Ausländerrückführungsbeauftragten" bekommen. "Bekanntmachung über die geordnete Durchführung der Heimreise von Personen mit Migrationshintergrund in ihre Herkunftsländer", heißt es in dem in amtlichem Stil gehaltenen Papier, dass in den vergangenen Tagen an die Politiker mit ausländischen Wurzeln verschickt wurde.

"Fünf-Punkte-Plan zur Ausländerrückführung"

Hähnel kündigte an, den Brief in Berliner Wohngebieten auch in die Briefkästen von Einwanderern zu stecken. Das zweiseitige Schreiben enthält einen "Fünf-Punkte-Plan zur Ausländerrückführung". Der Brief ist an zwei Stellen als nichtamtliches Schreiben kenntlich gemacht. Verantwortlich zeichnet der Berliner NPD-Landesvorsitzende Jörg Hähnel. Gegen ihn ermittelt nun die Staatsanwaltschaft: Man prüfe den Verdacht der Volksverhetzung, sagte ein Sprecher am Dienstag.

Hähnel gibt offen zu, die Empörung der demokratischen Parteien bewusst auf sich zu ziehen. In Meinungsumfragen zum Wahlausgang liegt die rechtsextreme Partei in Berlin abgeschlagen unter zwei Prozent.

Auch den türkischstämmigen Berliner Grünen- Kandidat Özcan Mutlu "informierte" die rechtsextreme Partei auf diesem Weg über angebliche "Einzelheiten seiner Heimreise". Er sagte: "Ich bin deutscher Staatsbürger und seit zehn Jahren Abgeordneter. Was muss ich noch tun, um in Deutschland als vollwertiger Staatsbürger anerkannt zu werden?" Er werte den Brief als billiges Mittel der Rechtsextremen, um im Wahlkampf Stimmung zu machen.

Strategie könnte Wähler mobilisieren

Die Strategie ist dabei nicht neu - und verspricht möglicherweise sogar Erfolg: Im Thüringer Landtagswahlkampf hatte die NPD eine ähnliche Kampagne gestartet, als sie den dunkelhäutigen CDU-Politiker Zeca Schall zur Rückkehr in sein Geburtsland Angola aufforderte. Nach Auffassung von Timo Reinfrank, Geschäftsführer der gegen Rechtsradikalismus engagierten Amadeu-Antonio-Stiftung, konnte die rechtsextreme Partei damit durchaus Wähler mobilisieren: "Vor der Aktion gegen Schall lag die Partei bei um die drei Prozent, schließlich hätte sie sogar fast die Fünfprozenthürde übersprungen", sagte Reinfrank der Zeitung "Die Welt".

Erst am Wochenende hatte die NPD wegen einer anderen ausländerfeindlichen Attacke eine juristische Niederlage hinnehmen müssen: Sie musste im vorpommerschen Uecker-Randow-Kreis Wahlplakate mit dem Slogan "Polen-Invasion stoppen" abhängen. Das Oberverwaltungsgericht Greifswald sah den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllt, und hob damit eine Entscheidung der Vorinstanz auf. Gegen die Entscheidung kann die NPD jetzt Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht einlegen.

Die NPD hatte Anfang September mehr als 50 solcher Plakate aufgehängt, die die Ordnungsämter aber abhängen ließen. Im Kreis Uecker-Randow an der Grenze zu Polen leben seit Jahren mehr als 1000 polnische Bürger, unter anderem wegen günstiger Immobilienpreise und der Nähe zur Großstadt Stettin (Szczecin).

"Wehrhaftigkeit unserer Demokratie bewiesen"

Die Text- und Bildelemente des NPD-Plakats sowie deren Gestaltung seien ein Angriff auf die Menschenwürde anderer, sagte eine Sprecherin des Oberverwaltungsgerichts. Damit stelle das Wahlplakat eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar. Denn dazu gehöre der Gedanke des friedlichen Zusammenlebens der Völker in Europa. Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) reagierte erleichtert - das Urteil sei "ein sehr eindrucksvoller Beweis der Wehrhaftigkeit unserer Demokratie" und zeige, dass es sich lohne, für demokratische Grundwerte in unserer Gesellschaft zu streiten.

Rechtsradikalismus-Experte Reinfrank wies in der "Welt" allerdings darauf hin, dass die Partei möglicherweise trotz juristischen Niederlagen durch solche Aktionen gewinnt: "Hauptsache Aufmerksamkeit, darum geht es der Partei." Denn auch für rechtsextreme Parteien gilt: Erzielen sie bei der Bundestagswahl mehr als 0,5 Prozent der Stimmen, bekommen sie staatliche Wahlkampfkostenerstattung - und zwar umso mehr, je mehr Stimmen sie erhalten haben.

Mit dpa