Kirche und Kunst: Eine Ära geht zu Ende

Ausstellung des Kunstdienstes Dresden im Herbst 2013
Foto: Kunstdienst der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens
Die Ausstellung "Kunst und Kunsthandwerk in der Kirche" im Herbst 2013 in der Kreuzkirche war die vorletzte Ausstellung des Dresdner Kunstdienstes.
Kirche und Kunst: Eine Ära geht zu Ende
Was hat Kunst mit Kirche zu tun? In Sachsen recht viel! Dort gibt es den letzten noch existierenden Kunstdienst einer Landeskirche. Seit fast 90 Jahren werden hier theologische Debatten über Kunst geführt, und es hat sich ein kleiner Schatz angesammelt. Teile daraus kann man jetzt zum letzten Mal in einer Ausstellung sehen.

Bereits 1928 wurde der Kunstdienst in Dresden zunächst als privater evangelischer Verein gegründet. Es ging von Anfang an um die Bewertung zeitgenössischer Kunst und Architektur und Vermittlung an Gemeinden. Welche modernen Ausdrucksformen, von Impressionismus bis Bauhaus, hatten als evangeliumsgemäß zu gelten? Welche Drucke, Plastiken, welche Graphik und Ornamentik konnte als Medium der Verkündigung dienen? Von Anfang an war daher der evangelische Kunstdienst auch ein Ort kunsttheoretischer und theologischer Debatten zwischen Kirchenvertretern und Künstlern. Hinzu kamen Vorträge und Exkursionen.

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Allmählich sammelte sich in der Biblio- und Graphothek ein kleiner Kirchen-Kunst-Schatz an. Nicht selten überließen Bildhauer oder Maler ihre Werke der Kirche. 1950 dann erfolgte die Neugründung als Werk der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens. Daneben gab es später auch Kunstdienste in Erfurt, Rostock, Berlin und Hamburg. Seit Jahrzehnten nun schon macht sich die kleine kirchliche Dienststelle ununterbrochen vor allem um die bildende Kunst in Kirchen und Gemeinden verdient. Hunderte Ausstellungen sind seitdem nicht nur in Dresden zustande gekommen. Während die anderen Kunstdienste in der Republik geschlossen wurden, haben die Dresdner bislang weiter gearbeitet. Doch nun ist auch hier Schluss. Der Grund sind drastische Sparbeschlüsse der Landeskirche.

"Es ging immer um Inhalte, um Dialog, das Miteinander"

"Finale", so heißt die letzte Ausstellung des Kunstdienstes der evangelischen Kirche in Dresden. Noch bis zum 2. März können Plakate der letzten 20 Kunstdienst-Jahre besichtigt werden, dann ist nach insgesamt 64 Jahren mit der Ausstellungstätigkeit des sächsischen Kunstdienstes Schluss. Die Dreikönigskirche ist bis auf den letzten Platz mit mehr als 500 Gästen überfüllt. Die Emotionen sind groß, manche haben sogar Tränen in den Augen. Denn mit der Verabschiedung der langjährigen Ausstellungsgestalterin in den Ruhestand, der Architektin Angelika Busse, endet eine lange Tradition der öffentlichen Repräsentation von Kunst in kirchlichen Räumen. Die Landeskirche hat beschlossen, ihre Stelle nicht wieder neu zu besetzen.

"Absolut sind wir traurig. Es ist eine Begegnungsstätte zwischen Kunst und Kirche. Der Ausstellungsraum ist immer offen, dass Besucher mal ganz spontan in die Kirche gehen. Wenn man in eine andere Galerie geht, weiß man nie, ob sie offen ist oder nicht", lobt eine Besucherin.

Der Dresdner Kunstdienst ist der letzte seiner Art in der Evangelischen Kirche in Deutschland überhaupt. Damit geht eine lange Tradition zu Ende. "Es ging immer um Inhalte, um Dialog, das Miteinander, die Begegnung gerade auch mit denjenigen Künstlern, die nicht Mitglied der Kirchen sind. Von daher finde ich es ganz töricht, so eine Aufgabe nicht weiter zu führen", sagt die ehemalige Kunstdienstmitarbeiterin Angelika Busse.

Heimliche Ausstellungen in der DDR

Immer schon ging es um den Gedankenaustausch der Kirche vor allem mit der zeitgenössischen bildenden Kunst. Zu DDR-Zeiten war es eben auch ein nicht unwichtiger Bestandteil der persönlichen Begegnung zwischen Ost und West. Zum Beispiel initiierte ein Pfarrer aus dem Schwarzwald den so genannten Kirchzartener Psalter. Mit Hilfe ausgemusterter Bleisatzlettern entstanden Holzschnitte.

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"Das sollte durch Europa gehen. Und auch die DDR sollte vertreten sein. Und das hat der Dresdner Kunstdienst quasi heimlich gemacht", weiß der Theologe und Kunsthistoriker Frank Schmidt, amtierender Leiter des Dresdner Kunstdienstes.

Der Kunstdienst in Dresden war ein öffentlicher Raum, der nicht direkt unter der Direktive der SED, gleichwohl aber unter ständigem Verdacht der Subversion und oftmaliger Beobachtung der Staatssicherheit stand. Der Dresdner Objektkünstler Jürgen Schieferdecker galt in der DDR als staatskritisch. Unter dem Dach der Kirche konnte er damals wie viele andere um einiges freier agieren und ausstellen. Anfang der 1980er Jahre organisierte er die Aktion "Bilder für Afrika" in der Dresdner Kreuzkirche mit.

"Ich hatte der Gruppe 7 angehört, der Künstler aus Westdeutschland, Belgien  und anderen Ländern angehörten. Die Stasi hatte sich damit beschäftigt, wusste aber nicht so richtig, was sie mit uns anfangen sollte. 50 Künstler gestalteten eine je 1 mal 1 Meter große Leinwand. Das hat der Kunstdienst alles mit großem Interesse aufgenommen", erinnert sich Schieferdecker.

Doch nicht nur die deutsch-deutschen Kontakte waren brisant. Im Zuge der Prager Revolution von 1968 war auch der Austausch mit den Künstlern aus dem südöstlichen Nachbarland nicht unproblematisch, weiß Kunstdienstleiter Frank Schmidt: "Der Austausch mit tschechischen Künstlern war überhaupt nicht offiziell, ganz im Gegenteil. Wir haben als Dresdner Kunstdienst tschechische Künstler gezeigt. Das wurde heimlich im Kofferraum über die Grenze geschafft und war fast genau so verboten wie wenn man versucht hätte über die Grenze in die BRD Bilder zu bringen."

Weiterarbeit auf Sparflamme

Doch das alles ist Geschichte. Die Landeskirche muss sparen, zwar auch bei anderen Diensten und Werken, aber überdurchschnittlich viel beim Kunstdienst. Doch das bedeute nicht das Ende, erklärt der Sprecher der Landeskirche, Matthias Oelke. Die übrig gebliebenen zwei Mitarbeiter werden nun dem kirchlichen Bauamt zugeordnet. Und da gebe es immer noch viel zu tun.

"Der Kunstdienst hat ja auch noch andere wichtige Funktionen. Wir haben die Kontrolle, die Sichtung, Beratung im Bereich des Siegelwesens. Das ist eben wichtig, weil die Gemeinden als Körperschaften des öffentlichen Rechtes auch beurkunden dürfen", sagt Oelke.

Hinzu kommt die wissenschaftliche Weiterführung und laufende Aktualisierung der Kunstguterfassung. Welche Gemeinde besitzt welches Gemälde, welche Skulptur oder Plastik? Daraus resultierend geht es um die Wahrnehmung von denkmalpflegerischen Aufgaben und die Beratung bei Bewahrung, Restaurierung und Pflege. Auch berät der Kunstdienst weiterhin bei der Pflege und Anschaffung von Abendmahlsgeräten oder Paramenten. Weiterhin können mehr als 30.000 Dias etwa für den religionspädagogischen Einsatz ausgeliehen werden. Und auch der beliebte Materialdienst zu den Jahreslosungen soll weiterhin erscheinen.

Das aber will Jürgen Schieferdecker, der auch für den Dresdner Künstlerbund spricht, nicht als vollgültige Weiterarbeit gelten lassen. Wenn die Kirche nur gewollt hätte, könnte die bisherige Hauptaufgabe weitergeführt werden, nämlich der Austausch zwischen Kunst und Kirche, zwischen Gemeinden und Künstlern, ist er sich sicher: "Ich weiß, unter welchen bescheidenen Bedingungen in der DDR dieser Kunstdienst Großes geleistet hat. Und jetzt leben wir in einem reichen Land  und jetzt geht diese großartige kulturstiftende Einrichtung plötzlich baden - bei dem Alleinstellungsmerkmal, das dieser Kunstdienst überhaupt in Deutschland noch gehabt hat. Das ist eine entsetzliche Sache."