Wirtschaft befürchtet Schäden durch Zuwanderungsdebatte

Wirtschaft befürchtet Schäden durch Zuwanderungsdebatte
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag warnt vor Schäden für die Wirtschaft durch die aktuelle Zuwanderungsdebatte. "Die Zuwanderung insgesamt darf nicht durch eine aufgeheizte politische Diskussion in ein schlechtes Licht gerückt werden", sagte Hauptsgeschäftsführer Martin Wansleben der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Samstagsausgabe).

Vize-Kanzler Sigmar Gabriel (SPD) mahnte derweil mehr Sachlichkeit in der Debatte an. EU-Sozialkommissar Lazlo Andor lehnte eine Einschränkung der Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union strikt ab.Hintergrund der Diskussion, die von der CSU angestoßen wurde, ist die seit dem 1. Januar geltende Freizügigkeit für Arbeitnehmer aus Bulgarien und Rumänien. Die Christsozialen befürchten eine Überlastung der Sozialsysteme und fordern verschärfte Maßnahmen gegen Sozialmissbrauch durch Zuwanderer.

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Wansleben betonte, Deutschland brauche aufgrund seiner demografischen Entwicklung in den nächsten Jahren bis zu 1,5 Millionen qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland. Diese trügen dazu bei, "Wachstum zu sichern und die Sozialsysteme zu stabilisieren". Die aktuelle Diskussion zeige Handlungsbedarf in der deutschen Gesellschaft: "Wir müssen weiter an einer Willkommenskultur für Zuwanderer arbeiten."

Die Sozialbranche betonte, dass der Zuzug von Rumänen und Bulgaren den Kampf gegen den Fachkräftemangel in der Pflege voranbringe. Bereits heute fehlten in Deutschland bis zu 50.000 Pflegekräfte, erklärte der Geschäftsführer des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste, Bernd Tews, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Freizügigkeit in der Europäischen Union dürfe daher nicht eingeschränkt werden.

Die meisten Rumänen und Bulgaren kämen, "um zu arbeiten, um ein deutlich höheres Einkommen zu erzielen und ein besseres Leben zu führen", unterstrich Tews. Mit Sozialhilfeleistungen hätten sie nichts zu tun: "Gleichwohl mag die aktuelle Diskussion in Deutschland befremdlich auf sie wirken."

Gabriel: Pauschale Diskriminierung darf es nicht geben

SPD-Chef Gabriel sagte der "Bild"-Zeitung vom Samstag, er halte nichts davon, das Problem der Armutsmigration "künstlich groß zu reden. Aber wir dürfen es auch nicht verniedlichen." Eine pauschale Diskriminierung von Rumänen und Bulgaren dürfe es nicht geben. Zugleich dürften die Probleme nicht übersehen werden, vor denen einige Großstädte durch Armutszuwanderung stehen.

Der EU-Sozialkommissar Andor sagte der "Welt" vom Samstag:
"Wir müssen unbedingt Grundrechte wie die Freizügigkeit verteidigen und dürfen auf Zuwanderung von Menschen nicht mit Hysterie reagieren." Das EU-Recht beinhalte eine Reihe von Schutzklauseln gegen den Missbrauch von Sozialleistungen, unterstrich Andor. Neue Gesetze seien deshalb nicht nötig.

Andor räumte jedoch ein, dass in einigen Kommunen durch den Zuzug von EU-Migranten Belastungen entstehen könnten, etwa im Bildungsbereich, am Wohnungsmarkt oder bei den Sozialausgaben. "Man muss diese Probleme angehen", sagte der EU-Kommissar aus Ungarn. So könnten zusätzliche Steuereinnahmen, die der Staat durch zugezogene ausländische Arbeitnehmer erhält, an die Kommunen fließen.