Filmkritik der Woche: "Das erstaunliche Leben des Walter Mitty"

epd-bild/Twentieth Century Fox
Szene aus dem Film "Das erstaunliche Leben des Walter Mitty" mit Ben Stiller in der Rolle des Walter Mitty, der am 02.01.2014 in die Kinos kommt.
Filmkritik der Woche: "Das erstaunliche Leben des Walter Mitty"
Die Abenteuer eines Tagträumers: Leiser Humor und lauter Slapstick, schräger Charme und wilde Stunts: Ben Stiller ist mit viel erzählerischer Lust ein eigenwilliger Film über einen weltfremden Fotoarchivar gelungen, der plötzlich große Abenteuer erlebt.
01.01.2014
epd
Frank Schnelle

Zu den erstaunlichen Aspekten von "Das erstaunliche Leben des Walter Mitty" gehört, dass es diesen Film nun gibt. Über Jahrzehnte hinweg schien es, als müsste das Projekt auf ewig in Hollywoods Entwickler-Hölle schmoren. Denn der Stoff ist offensichtlich schwer in den Griff zu kriegen: Der US-Autor James Thurber hatte 1939 die Kurzgeschichte über einen Tagträumer unter dem Titel "Das geheime Leben des Walter Mitty" veröffentlicht.

Ben Stiller (als Regisseur und Hauptdarsteller) und sein Autor Steve Conrad zeichnen ihren Protagonisten als schüchternen und weltfremden Fotoarchivar beim New Yorker "Life Magazine". Sie lassen ihn nur anfangs in heroische Hirngespinste abdriften, die sich wie erstaunlich aufwendige und durchaus witzige Parodien aktueller Superhelden-Movies anfühlen.

Als Mitty ein wichtiges Negativ abhandenkommt, schicken sie ihn jedoch auf eine echte eskapistische Reise, deren Stunts - darunter der Sprung aus einem Helikopter und die Flucht vor einem ausbrechenden Vulkan - den explosiven Gehalt der Träume fast noch übertreffen.

Neben diese recht klischeehafte Mannwerdung eines Kindskopfs setzt das Drehbuch andere Themen: Es geht um den Tod des Printjournalismus und um Internet-Dating, denn Mitty traut sich nicht, seine von Kristen Wiig gespielte Kollegin anzusprechen. Es geht um die Marotten eigenwilliger Starfotografen (Sean Penn mit einem denkwürdigen Cameo) und nicht zuletzt um die eisigen Methoden des Kapitalismus - wie die meisten seiner Kollegen wird auch Mitty gefeuert.

Erzählerische Lust und Eigenwilligkeit

Schlüssige Storys sehen anders aus, aber Stiller gelingt es trotzdem, diesen Wirrwarr der Stile und Motive in eine mindestens unterhaltsame Form zu bringen. Von der liebevollen Titelsequenz bis zu den kuriosen dramaturgischen Schlenkern strotzt seine Inszenierung vor erzählerischer Lust und Eigenwilligkeit.

Stiller bietet leisen Humor und lauten Slapstick, naive Romantik und bitteren Zynismus. Alles ist so übertrieben und unwahrscheinlich, dass man sich ganz dem Moment hingeben kann, dem schrägen Charme und der visuellen Brillanz. Die ästhetischen und erstaunlich tiefenscharfen Bilder von Kameramann Stuart Dryburgh beeindrucken.

1947 hatte Norman Z. McLeod die Story von Walter Mitty zum ersten Mal auf die Leinwand gebracht: Danny Kaye, hemmungslos chargierend und lustvoll von einer Fantasie in die nächste hüpfend, machte daraus ein komödiantisches Heimspiel, das vor allem als Nummernrevue funktionierte. Ben Stiller setzt da höher an.

USA 2013. Regie: Ben Stiller. Buch: Steve Conrad. Mit: Ben Stiller, Kristen Wiig, Sean Penn, Kathryn Hahn, Adam Scott Shirley MacLaine. L: 114 Minuten. FSK: 6, ffr.