Leben im Pfarrhaus: "Normal" ist ihr Lieblingswort

Foto: Marlene Grund
Am 7. Juli 2012 haben Pfarrerin Daniela Loster (links) und ihre Lebensgefährtin Angela Börger sich in der Kölner Christuskirche Gottes Segen für ihre Partnerschaft zusprechen lassen.
Leben im Pfarrhaus: "Normal" ist ihr Lieblingswort
Ein Wunder, dass sie sich kennengelernt haben: Die Pfarrerin Daniela Loster (44) und die Köchin Angela Börger (49) gehen in ihrer saarländischen Heimat in keine "Szene". Sie leben als Pfarrfamilie zusammen, bald auch mit Kindern, und führen eine "Ehe" mit klarer Rollenverteilung im Privaten und Beruflichen. Diskriminierung haben die beiden Frauen bisher nicht erlebt.
27.09.2012
Marlene Grund

Von ihrem zukünftigen Leben an der Seite einer Pfarrerin hatte Angela Börger völlig andere Vorstellungen. Die Köchin, die mit der evangelischen Pfarrerin Daniela Loster zusammenlebt, träumte von einem stilvollen Haus unter alten Bäumen direkt neben der Kirche und von freundlichen Nachbarn, die mit ihr über den Gartenzaun hinweg Schwätzchen halten würden. Zumindest beim Wohnen kam es anders. Das Paar lebt in einem gemieteten Haus mitten in Emmersweiler, am Rande des Saarlandes. Direkt hinter der Querstraße beginnt Frankreich. Die nächste evangelische Kirche ist vier Kilometer entfernt. Nur der gelbe Gemeindebus in der Hauseinfahrt lässt Rückschlüsse auf die Bewohner zu.

Angela Börger serviert Eiskaffee auf der Terrasse. Die Ehe der beiden, am 11.11.2011 standesamtlich geschlossen, nennt sich "eingetragene Partnerschaft". Als die beiden im Juli in der Kölner Christuskirche heiraten, gibt es keinen Trau-, sondern einen Segensgottesdienst. Mit diesen feinen Unterscheidungen halten Staat und Kirche Distanz zu Paaren, die anders sind.

"Wir vererben uns ohnehin nur Gerümpel"

In Deutschland können nicht nur Außenminister und Bürgermeister mit ihren Partner zusammenleben, sondern auch Pfarrerinnen und Köchinnen, hieß es in der Hochzeitseinladung. Bei aller demonstrierten Selbstverständlichkeit fühlen sich beide durchaus noch als Pionierinnen. "In unserem Umfeld kennen die Leute sonst keine Lesben - also tragen wir ein gutes Stück zur Normalisierung bei".

In der Tat vermitteln Daniela Loster, 44 Jahre alte Theologin der Evangelischen Kirche im Rheinland, und die Köchin Angela Börger im Gespräch ein völlig unspektakuläres Bild von ihrem gemeinsamen Leben. "Normal" ist das Lieblingswort zur Selbstbeschreibung des Paares, bei dem Gedanken an Schrilles, Unbürgerliches oder Befremdliches gar nicht erst auftauchen. "Wir sind in keiner Szene", sagen beide. Es sei fast ein Wunder, dass sie sich überhaupt kennenlernten.

Die bestehenden Restriktionen für Lebenspartnerschaft nehmen sie zwar zur Kenntnis, aber für ihren Alltag haben sie kaum Bedeutung. Das umstrittene Ehegattensplitting für homosexuelle Paare? "Wer keine Kinder hat, braucht keine steuerlichen Vorteile", sagt Daniela Loster, die seit einem Jahr Pfarrerin der evangelischen Kirchengemeinde Völklingen-Warndt im Saarland ist. Auch die Erbrechtsrechtform bei Lebenspartnerschaften verfolgten sie nicht: "Wir vererben uns ohnehin nur Gerümpel", sagt Angela Börger lachend.

Nicht Hand in Hand durch die Fußgängerzone?

Diskriminierung haben beide weder in Familie noch Beruf, weder von Nachbarn noch von der Gemeinde erfahren. "Dass wir so selbstverständlich zusammenleben können und auch in beruflichen Zusammenhängen als Paar anerkannt sind, ist nicht unser Verdienst", sagen sie. Einmal, so erzählen sie, wollten sie bewusst vorsichtig sein. Als Daniela Loster im Jahr 2004 eine Sonderdienstpfarrstelle im rheinland-pfälzischen Idar-Oberstein bekam und Angela Börger nachzog, sollte in der Kleinstadt keinerlei Anlass für Gerede entstehen: "Wir hatten uns vorgenommen, nicht Hand in Hand durch die Fußgängerzone zu gehen", erinnert sich die Pfarrerin. Der Vorsatz erwies sich als absolut nicht realitätstauglich und wurde sofort wieder umgestoßen, ganz ohne negative Konsequenzen.

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"Wenn man selbst kein Theater um die sexuelle Orientierung macht, wird sie auch für andere nicht zum Problem", so die Erfahrung der Pfarrerin. Sie hat nach ihrer Vorstellungspredigt in Völklingen die Frage nach ihrem Familienstand ganz offen beantwortet: "Ich bin nicht verheiratet, sondern lebe mit einer Frau zusammen, die Köchin ist und immer schon gerne Pfarrfrau werden wollte." Damit hatte sie die Lacher auf ihrer Seite und die Stimmen der ländlich geprägten Gemeinde, die sich über etliche Dörfer sowie Stadtteile von Völklingen erstreckt. In der rheinischen Landeskirche ist die Eingetragene Lebenspartnerschaft laut Pfarrdienstgesetz eine legitime Form des Zusammenlebens für Pfarrer. Jede Gemeinde entscheidet eigenständig über die Wahl ihres Pfarrers oder ihrer Pfarrerin.

Kuchen Backen, Kaffee kochen, Kinder betreuen

Zur Begrüßung bekam die neue Pfarrfrau einen Blumenstrauß von der Frauenhilfe. Die Gemeinde erhielt dafür im Gegenzug eine veritable Pfarrhausidylle. Die besteht zwar nicht aus Vater, Mutter, Kindern, dafür aber aus Pfarrerin und ihrer Pfarrfrau, die selbstverständlich, selbstbewusst und mit Freude das traditionelle Rollenklischee ausfüllt. Sie bäckt Kuchen für Versammlungen und Feste, kocht Kaffee und schmiert Brötchen. Bewusst schließt sie sich keiner Gruppe an, weil sie abrufbar sein will, wann immer sie in der großen Gemeinde gebraucht wird, in der zwei Pfarrerinnen für 5.500 Menschen zuständig sind. Im Herbst ziehen sogar Kinder ins Pfarrhaus. Zwar keine eigenen - "dafür sind wir zu alt" -, aber Tageskinder, die Angela Böger nach ihrer Ausbildung zur Tagesmutter betreut. Sie werden im geräumigen Wohn-Esszimmer spielen dürfen, wie in einer Familie.

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Die Rollen in der lesbischen Pfarrfamilie sind klar verteilt: "Daniela muss das Geld verdienen und machen, was ich sage", flachst Angela Börger. Sie ist im Gegenzug zuständig fürs Kochen und Putzen, für alles Handwerkliche und Technische. "Und stärker bin ich auch", sagte sie triumphierend. Angesichts dieser traditionellen Aufgabenverteilung rutschte einer Konfirmandin bei der Pfarrerin die Frage raus "Dann sind Sie also der Mann?". Dies konnte indes eindeutig verneint werden.

Die Hochzeitsfeier in Regenbogenfarben am 8. Juli bei der Parade des Christopher-Street-Day in Köln war der Ausreißer des Paares aus seinem ganz normalen Alltag. War Bekenntnis zum öffentlichen Kampf von Lesben und Schwulen für Gleichberechtigung, war Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft, Demonstration des Andersseins. Die beiden Frauen wissen, dass sie eine Ausnahme sind. "Uns geht es gut", bekennen sie, doch in vielen Ländern würden Homosexuelle diskriminiert, verfolgt, sogar getötet. "Wir haben das Glück, in dieser Zeit in diesem Land zu leben."

 

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