Neuer Blick auf vergessene Kolonial-Verbrechen

Straßenschild des Rudolf Duala Manga Bell Platzes.
© Stefan Puchner/dpa
Rudolf Duala Manga Bell war ein König aus Westafrika. Er ging in Ulm eine Zeit lang zur Schule. Zurück in seiner Heimat kämpfte er gegen Zwangsarbeit. Er wurde von der deutschen Kolonialverwaltung hingerichtet. Y. Eboumbou (links), J. Same und P. Eboumbu aus Kamerun machen ein Erinnerungsfoto mit Straßenschild in Ulm. (Archivbild)
Afrikanischen Widerstand würdigen
Neuer Blick auf vergessene Kolonial-Verbrechen
Nach jahrelangen Protesten werden im sogenannten Afrikanischen Viertel in Berlin-Wedding ein Platz und eine Straße umbenannt. Am Freitag werden nach Angaben des Bezirksamts Mitte im Beisein der Botschafter Kameruns und Namibias die neuen Straßenschilder enthüllt. Die Neubewertung der Kolonialzeit geht auch auf die Forschung von Historikern zurück, die in den Kolonien massive Entrechtungen der Bevölkerung, Zwangsarbeit bis hin zu Genoziden offenlegten.

Lange hat es gedauert, bis sich die Berliner Verwaltung entschlossen hat, die Namen der früheren Kolonialkaufleute aus den Straßennamen zu tilgen. Das hat mit der Neubewertung der Kolonialeroberungen zu tun. 

Aus dem bisherigen Nachtigalplatz wird nun der Manga-Bell-Platz. Er erhalte den Namen zu Ehren des Königspaars der Duala, das gegen die deutsche Kolonialherrschaft in Kamerun gekämpft habe, hieß es. Rudolf Duala Manga Bell wurde 1914 als Anführer des Widerstands gegen die deutsche Kolonialmacht hingerichtet.

Die Lüderitzstraße wird künftig nach Cornelius Fredericks benannt, einem Widerstandskämpfer gegen die deutsche Kolonialherrschaft in Namibia.
"Straßennamen sind Ehrungen und Teil der Erinnerungskultur", sagte Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger (Grüne). Daher sei es eine wichtige Aufgabe, Namen aus dem Berliner Straßenbild zu tilgen, die mit Verbrechen des deutschen Kolonialismus im Zusammenhang stehen.

Der Historiker Christian Kopp begrüßte die Umbenennung:  "Wir sind sehr froh, dass die Ehrung der Begründer deutscher Kolonien in Afrika nun ein Ende hat und stattdessen widerständige Menschen aus dem heutigen Kamerun und Namibia im Afrikanischen Viertel geehrt werden."

"Geschöntes Bild vom Kolonialismus"

So bleibe Deutschlands Kolonialzeit im öffentlichen Raum sichtbar, doch unter gänzlich anderen Vorzeichen, erklärte Christian Kopp vom Verein "Berlin Postkolonial". Dass der Kolonialismus heute wesentlich kritischer gesehen werde als noch vor 20 Jahren geht nach Ansicht von Kopp maßgeblich auf das Engagement von Menschen mit afrikanischer Geschichte zurück, deren Stimmen heute viel deutlicher und häufiger zu hören seien. "Ihre kollektiven Erinnerungen verändern das von Europa geschönte Bild vom Kolonialismus von Grund auf", sagte er.

Auf Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung Mitte sollen mit den neuen Straßennamen Menschen geehrt werden, die für den Widerstand gegen den Kolonialismus gekämpft haben und nicht mehr Täter eines Kolonialregimes. Die neu installierten Straßenschilder werden den Angaben zufolge mit Erläuterungen versehen sein.

Die bisherigen Namensträger Adolf Lüderitz (1834-1886) und Gustav Nachtigal (1834-1885) gelten als Vertreter und Wegbereiter des deutschen Kolonialismus mit zum Teil massiven rassistischen Einstellungen. Auch in Bremen und Köln wurden bereits Straßen umstrittener Kolonialeroberer entfernt. Die Neubewertung der Kolonialgeschichte ist auch Thema der Geschichtswissenschaft, die beispielsweise die afrikanische Kolonialgeschichte mit ihrer Sklaverei, den Enteignungen, Kinderarbeit und massiven Entrechtung bis zu Massakern an der Bevölkerung mit Quellen belegte.