"Spucke im Angesicht Gottes"

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Journalist Heribert Prantl (links) diskutiert am 28.05.2022 während des Katholikentags in Stuttgart mit Theologin Margot Käßmann (Mitte) und den Theolog:innen Karl-Josef Kuschel (rechts) und Johanna Rahner über das Thema "Ist die Kirche noch zu retten?".
Prantl verurteilt Missbrauch
"Spucke im Angesicht Gottes"
Bei einer Podiumsdiskussion zum Thema "Ist die Kirche noch zu retten? Hans Küngs Vermächtnis für die Zukunft von Kirche und Religion" auf dem 102. Deutschen Katholikentag in Stuttgart wurde über die Fehler und Chancen der katholischen Kirche intensiv diskutiert.

Nach Auffassung des Journalisten und Autors Heribert Prantl ist der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche ein Verrat an den Opfern, und "die Spucke im Angesicht Gottes". "Es braucht mehr als eine kleine Auszeit für Bischöfe und Kardinäle mit anschließendem Weitermachen", sagte er am Samstag auf dem 102. Deutschen Katholikentag in Stuttgart auf einem Podium zur Zukunft der Kirche.

Es sei Zeit für eine neue Reformation. Erst einmal müsse die katholische Kirche neues Vertrauen schaffen. Dafür stehe der Gesprächsprozess des "Synodalen Wegs" in der katholischen Kirche. Es brauche Reformen wie die Ordination von Frauen und eine neue Sexualmoral. Doch tröstlich sei: Solange die Kirche Menschen aus ihrer Not retten könne, sei sie selbst auch noch zu retten.

Die ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann sagte, praktisches Christentum mit seinem diakonischen und karitativen Handeln sei immer noch glaubwürdig. In diesem Bereich könnten die Kirchen noch viel enger zusammenarbeiten. Außerdem könne man von der Kirche in Ostdeutschland lernen, wie man auch in einer Minderheitensituation sehr glaubwürdig sein könne.

Rahner hinterfragt Autorität der Kirche

Johanna Rahner, Leiterin des Instituts für Ökumenische und Interreligiöse Forschung, erklärte, ein Problem sei der Anspruch der katholischen Kirche, in alle Dimensionen menschlicher Existenz regulierend eingreifen zu wollen, bis hin zur Sexualmoral. Doch es funktioniere nicht, Sinn und Überzeugung durch Autorität zu ersetzen. Dies habe das Unfehlbarkeitsdogma des Papstes gezeigt, womit Argumente durch Autorität ersetzt wurden.

Für den katholischen Theologen Karl-Josef Kuschel ist die Kirche dann zu retten, wenn sie gemeinsam einen ökumenischen Weg geht. "Austreten ist heute zeitgeistkompatibel", sagte er. Doch für ihn habe es etwas mit Loyalität zu tun, auch in schlechten Tagen in der Kirche zu bleiben. Der Theologe Hans Küng habe immer daran erinnert: Der Auftrag der Kirche ist das eine, die Verwirklichung des Auftrages bei Gottes Bodenpersonal etwas anders.

Die Podiumsdiskussion stand unter dem Titel "Ist die Kirche noch zu retten? Hans Küngs Vermächtnis für die Zukunft von Kirche und Religion". Der am Sonntag zu Ende gehende 102. Deutsche Katholikentag steht unter dem Motto "Leben teilen". Zu dem am Mittwochabend eröffneten Christentreffen haben sich laut Veranstaltern rund 25.000 Menschen angemeldet.