Hör zu!

Hör zu!
mit Pfarrerin Stefanie Schardien
17.09.2022 - 23:35
17.05.2022
Stefanie Schardien

Hör zu!

Diese Woche hat nun auch bei uns in Bayern die Schule wieder begonnen. Ganz viele Erstklässler mit Schultüten. Als ich sie gesehen hab, dachte ich: Viele von ihnen werden in den ersten Schultagen etwas lernen, was mich bis heute begleitet:

Den Schweigefuchs! Mund zu, Ohren auf! Ist Ihnen in der Schulzeit vielleicht auch begegnet. Ein extrem nützliches Tier! Allerdings auch irgendwie ziemlich scheu… Gerade bei uns Erwachsenen ist er selten geworden. Obwohl wir ihn gerade gut gebrauchen könnten. Bei uns müsste er eigentlich etwas anders heißen, eher „Zuhör-Fuchs“. Denn das „Schweigen“ dient ja vor allem dazu, fürs Hören, fürs Zuhören bereit zu werden.

Als Pfarrerin brauche ich ihn ständig. Vor Seelsorgegesprächen nehme ich mir vor: Mund zu, Ohren auf…  Auch wenn es mich drängt, gleich etwas zu erwidern. Nein! Erstmal zuhören. Alle, restlos alle Menschen haben etwas zu erzählen. Und alle sind am Ende dankbar, dass ihnen endlich jemand länger zugehört hat. Meistens irgendwie erleichtert, weil sie ihre Geschichte nicht mehr allein tragen müssen.

Zuhören ist so viel mehr als Hören. Zuhören kann heilen. Ein blinder Mensch, Bartimäus, begegnet endlich Jesus, dem Wundertäter. Jesus predigt ihm nicht einfach das Evangelium vom Reich Gottes oder erklärt gleich: Für Blinde habe ich jetzt diesen Plan hier... Nein, Jesus fragt erst einmal: Was willst Du, dass ich dir tue? Und wartet die Antwort ab. „Ich will sehen können“. Es hätte auch ein anderes Anliegen sein können… Echtes Zuhören heißt: Ich schenke dir Aufmerksamkeit, die volle Aufmerksamkeit, nicht so nebenbei. Zuhören heißt: Ich fühl mich rein in deine Worte. Statt zu meinen: Ich weiß eh, was da kommt.

Da tut sich ein Riesenproblem auf. Im Moment sind viele enttäuscht und wütend: „Unsre Meinung wird doch gar nicht gehört.“ oder „Mir hört ja eh keiner zu!“ Die Jungen fühlen sich von den Alten nicht gehört, die Alten von den Jungen. Die Bürger nicht von der Politik. Die PolitikerInnen nicht von den Menschen.

Hört überhaupt noch irgendjemand wem zu? Irgendjemand in diesem irren Geräuschpegel heutzutage?

Das ist ja Teil des Problems: Alle sprechen. ...Mund auf, und Ohren zu. Unerträglich.  Also rufen alle immer noch lauter und verzweifelter: Warum hört mir denn keiner zu? Interessiert sich niemand für mich und mein Leben?

Aber…..Wichtige Wendepunkte im Leben beginnen mit einem …..offenen Ohr. „Höre Israel!“ Heißt es in der Bibel, wenn Gott seinem Volk etwas Wichtiges zu sagen hat. Hör zu! Sage ich mir vor Gesprächen. Sonst verpasst Du etwas Wichtiges: Nicht nur die Chance, dass sich andere gehört fühlen. Wichtig in diesen Zeiten. Sondern ich verpasse auch, was ich beim Zuhören selbst gewinne. Mehr Verständnis für das Leben und was darin alles möglich ist. Manchmal wenigstens Einsicht, warum andere dies meinen oder das tun.

Machen Sie das Experiment doch mal: Fragen stellen und Antworten abwarten. Mund zu, Ohren auf. Erstmal zuhören..   

Ich wünsche Ihnen – ab morgen früh - offene Ohren und jetzt – Augen zu - eine gesegnete Nacht!

17.05.2022
Stefanie Schardien