Talk am Sonntag mit Seyran Ates

Talk am Sonntag mit Seyran Ates
„Ich habe erlebt, dass ich keine Angst vorm Sterben haben muss.“
06.09.2020 - 07:40

In der Johanniskirche in Berlin-Moabit wird der Frieden zwischen den Religionen gelebt. In einem Nebengebäude der evangelischen Kirche liegt die Ibn-Rushd-Goethe-Moschee. Islamreformerin Seyran Ateş hat sie vor drei Jahren gegründet. „In dieser Moschee sind Männer und Frauen gleichberechtigt und wir leben und praktizieren Frieden mit allen Religionen und Weltanschauungen.“ Männer und Frauen beten zusammen – anders als sonst im Islam üblich. Hier können Frauen selbst entscheiden, ob sie ein Kopftuch tragen, als Imamin die Predigt halten und es gibt eine Muezzinin, die zum Gebet ruft.

„Dafür wollen mich Menschen töten“, sagt Ateş. Seit 14 Jahren erhält die Reformerin Personenschutz. Das bestimmt ihren Alltag, immerzu sind die Sicherheitskräfte an ihrer Seite. Mittlerweile hat sie sich an dieses Leben gewöhnt und nennt die stetigen Begleiter ihre „Schutzengel“.

Denn: „Ich weiß sehr wohl, dass Menschen wirklich bereit wären, jemanden wie mich zu töten und wie sich das anfühlt.“ Mit 21 hat sie bereits ein Attentat überlebt, als sie in einer Beratungsstelle für türkische Frauen arbeitete. Während sie mit der lebensgefährlichen Verletzung rang, habe sie ein Nahtoderlebnis gehabt. „Ich wurde gefragt, ob ich mitgehen möchte in dieses Licht und ich habe dieses wunderbare Glücksgefühl erlebt.“ Doch sie sei noch zu jung zum Sterben gewesen: „Es sind Aufgaben, die ich gerne hier auf dieser Erde noch erledigen möchte.“ Dieses Erlebnis gibt ihr die Kraft für ihren Einsatz für einen modernen Islam. Mit Verweis auf Martin Luther sagt sie, Reformer in anderen Religionen seien ihr Vorbilder.