Essen, trinken, singen und beten - Dinner Church in Berlin

Dinner Church in Berlin
© Josefine Janert
In der Dinner Church in Berlin wird gegessen, getrunken, gesungen und gebetet.
Essen, trinken, singen und beten - Dinner Church in Berlin
Die Bibel steckt voller Geschichten darüber, wie Menschen gemeinsam essen und trinken. Drei Berliner Gemeinden greifen die Idee auf. Einmal im Monat trifft man sich am Sonntagabend zur Dinner Church.

Bevor er verhaftet wurde, saß Jesus mit seinen Jüngern ein letztes Mal zu Tisch, speiste und trank. An dieses Beisammensein und die Kraft, die davon ausging, erinnert das Abendmahl in der Kirche. Evangelische Christinnen und Christen nehmen es in der Regel im sonntäglichen Gottesdienst ein. Doch gemeinsam gespeist wird dabei recht wenig. Schade eigentlich, bietet eine gemeinsame Mahlzeit doch Gelegenheit, ins Gespräch zu kommen.

Drei evangelische Gemeinden im Berliner Ortsteil Prenzlauer Berg wollen genau das. Seit gut einem Jahr erproben sie eine Idee, die aus den USA stammt: Die Dinner Church. Einmal im Monat an einem Sonntagabend trifft sich ungefähr ein Dutzend Menschen, um ungefähr zwei Stunden lang gemeinsam zu speisen und zu reden. Die Anregung dazu kam von Pfarrer Nils Huchthausen, der die Dinner Church in Amerika kennen gelernt hat. "Es ist ja nicht nur so, dass sich die christliche Urgemeinde versammelt hat, miteinander das Brot gebrochen hat in Erinnerung an das letzte Abendmahl Jesu, sondern die Bibel ist voller Mahlzeiten und Mahl-Geschichten", sagt er: Da gebe es Essen zur Versöhnung, um das Miteinander zu feiern und Gott zu loben.

Pfarrer Nils Huchthausen über die Bedeutung von Mahlzeiten in der Bibel.

Zum Pfarrsprengel "Am Prenzlauer Berg" gehören drei Kirchen und ein Ort, den die Gemeindemitglieder die Ladenkirche nennen: Ein Gemeindesaal in einem ehemaligen Elektrogeschäft, das nach der Wende umgebaut und in hellen, freundlichen Farben renoviert wurde. Hier, wo sonst Gottesdienste und Bibelgespräche stattfinden, treffen gegen 18 Uhr die ersten Personen ein, die die Dinner Church vorbereiten. Zu ihnen gehört Heike, eine Frau mittleren Alters. Sie hat selbstgemachten Nudelsalat mitgebracht. In der kleinen Küche, die zur Ladenkirche gehört, räumt sie Gläser auf ein Tablett und legt Papierservietten bereit. "Es soll eine schöne Tafel werden", sagt sie. "Das ist wichtig. Es ist ja auch fürs Auge."

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In einem großen ebenerdigen Raum befindet sich der Altar. Ein Gemälde zeigt die Silhouette des brennenden Berlins. Vor diesem Hintergrund ist Jesus ans Kreuz geschlagen. Das Bild erinnert an die Leiden des Zweiten Weltkriegs, auch daran, dass bei einem plötzlichen Bombenangriff während eines Gottesdienstes mehrere Gemeindemitglieder ums Leben kamen.

Vor dem Altar steht jetzt ein langer Holztisch, auf den Heike ein weißes Tischtuch legt. Jemand stellt Weinflaschen auf den Tisch, und Pfarrer Huchthausen zündet zwei Kerzen an. "Ja, wir trinken auch Wein", sagt er. "In der Bibel heißt es ja auch: Der Wein erfreue des Menschen Herz, und das Brot stärke des Menschen Herz. Psalm 104."

Die Vorbereitungen für die Dinner Church finden in der Küche statt.

Gegessen und getrunken wird, was die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf den Tisch stellen. Sie stimmen sich vorher ab, was Jasmin angeregt hat, eine dreißigjährige Frau mit kurzen braunen Haaren. "Bei den ersten Treffen haben die meisten Leute etwas Süßes mitgebracht", sagt sie. "Da saßen wir mit lauter Nachtisch da." Jetzt klappt es besser. Jemand hat Möhren und Kohlrabi in mundgerechte Stücke geschnitten. Eine andere Person holt eine Schüssel mit Bouletten aus einer Tasche. Auch belegte Brote und Kräuterquark gibt es. Jasmin hat Linsen-Koriander-Suppe gekocht. "Suppe geht immer. Die ist ein guter gemeinsamer Start", sagt sie.

Sie erzählt, dass sie dank der Dinner Church die Menschen in der Gemeinde besser kennen gelernt habe. Das bestätigt auch Heike, die inzwischen Karaffen mit Saft und Wasser gefüllt und die Blumenvasen zurechtgerückt hat. "Nach dem sonntäglichen Gottesdienst stehen wir zwar meist noch vor der Kirche zusammen und reden", sagt Heike. "Aber da geht es über das Alltägliche nicht hinaus." Hier, in kleinem Kreis, würden die Menschen mehr aus sich herausgehen.

Jasmin über den Unterschied zwischen einem Gottesdienst und der Dinner Church und warum ihr dieses Format gefällt.

Der Organist Daniel Richter hat am Klavier Platz genommen und zu spielen angefangen. Zwölf Menschen nehmen an dem Tisch Platz. Der Jüngste ist Ende zwanzig, der Älteste im Rentenalter. Nils Huchthausen begrüßt alle, und dann greifen die Ersten auch schon zu. Die Dinner Church folgt keinem festen Ablauf – abgesehen davon, dass der Pfarrer im Laufe der zwei Stunden eine kurze Bibelstelle vorliest und die Anwesenden zum Abschluss das Vaterunser beten. Oft gibt es auch eine Vorstellungsrunde, und die Anwesenden singen zusammen.

Nils Huchthausen hat auch schon spontan Menschen aus dem Kiez zur Dinner Church eingeladen, Nachbarn, die neugierig schauten, was da am Sonntagabend in der Ladenkirche passierte. "Ich will nicht sagen, dass die Menschen hier alle einsame Seelen sind", sagt Huchthausen. "Überhaupt nicht! Es sind Menschen, die sich gern mit anderen zusammentun und ins Gespräch kommen." Gerade in der Großstadt hätten viele das Bedürfnis, andere Menschen zu treffen. Viele Berlinerinnen und Berliner machten sonntags gern Ausflüge. Da sei die Dinner Church eine gute Gelegenheit, am Abend trotzdem noch einen Gottesdienst zu besuchen, betont der Pfarrer.

Und so sitzen sie und reden – über den Mauerfall vor 30 Jahren, über ein Fußballspiel und über das Leben im Prenzlauer Berg, der sich immer mehr zur Touristenattraktion entwickelt. Sie plaudern auf Englisch mit dem Gast aus den USA, den Nils Huchthausen heute mitgebracht hat. Am Ende räumen sie gemeinsam auf. Jasmin wird beim nächsten Mal wieder Suppe kochen. Ihre Linsen-Koriander-Kreation ist gut angekommen.