Hunderte Menschen bei Mahnwache für niedergeschossenen Eritreer

Hunderte Menschen bei Mahnwache für niedergeschossenen Eritreer
Politikwissenschaftler sieht Mitverantwortung der AfD

Wächtersbach (epd). Nach den lebensgefährlichen Schüssen auf einen Eritreer im hessischen Wächtersbach haben sich dort am Dienstagabend mehrere hundert Menschen zu einer Mahnwache versammelt. Die Teilnehmer zeigten sich schockiert und betroffen über den nach Erkenntnissen der Ermittler eindeutig fremdenfeindlich motivierten Anschlag. Bürgermeister Andreas Weiher (SPD) sagte, ein weiteres Mal sei nach dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke aus Gedanken eine Tat geworden, "die uns erschüttert".

Unterdessen gab der Berliner Politikwissenschaftler Hans-Joachim Funke der AfD eine Mitschuld an der Tat. "Die Hemmschwellen sind gesunken durch die Hetze im öffentlichen Raum gegen alle größeren ethnischen und religiösen Minderheiten, nicht zuletzt von Teilen der Alternative für Deutschland, von 'Pegida' und anderen auf der einen Seite und rechtsextremen Gewaltbereiten", sagte Funke am Dienstagabend in der "hessenschau" des Hessischen Rundfunks.

Auch mit Blick auf den Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke forderte Funke eine bessere Zusammenarbeit der hessischen Sicherheitsbehörden. "Die politische Klasse dieses Landes muss mehr tun als sie bisher getan hat. Auch nach dem Fall Lübcke fehlt es an mehr Entschiedenheit", sagte der Rechtsextremismus-Experte.

Ein 55-jähriger Deutscher hatte am Montag aus einem Auto heraus drei Schüsse auf den dunkelhäutigen Mann aus Eritrea abgegeben und ihn lebensgefährlich verletzt. Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt geht von einem fremdenfeindlichen Motiv aus. Das Opfer sei offenbar allein aufgrund seiner Hautfarbe ausgewählt worden. Der Eritreer war nach einer Notoperation außer Lebensgefahr. Der mutmaßliche Täter konnte zunächst fliehen und erschoss sich in seinem Fahrzeug, wo er von Polizeibeamten aufgefunden wurde.

Zu der Mahnwache unter dem Motto "Kein Platz für Rassismus" hatten die Stadt Wächtersbach, der Main-Kinzig-Kreis und die Kirchen kurzfristig auf Facebook eingeladen. Bürgermeister Weiher beklagte eine "neue Qualität von gelebtem Rassismus" und äußerte sich fassungslos über die "400 Hass- und Hetzkommentare" im Internet. Die Verfasser hätten keinen Respekt vor einem Menschenleben träten das Grundgesetz mit Füßen.

In Anspielung auf einen Bericht des Hessischen Rundfunks, der mutmaßliche Täter habe die Tat in seiner Stammkneipe angekündigt und anschließend davon erzählt, sagte Weiher: "Nehmt die Signale ernst, nehmt sie wahr!" Der Landrat des Main-Kinzig-Kreises, Thorsten Stolz (SPD), sagte bei der Mahnwache, die Tat sei eine Mahnung, wachsam zu sein und jeder Form von Menschenverachtung von Anfang an entgegen zu treten.

Pfarrerin Beate Rilke von der evangelischen Kirchengemeinde Wächtersbach, die für alle Kirchengemeinden der Stadt sprach, beschwor die Kraft der Gemeinschaft. Ich habe keine Angst, weil wir hier alle zusammenstehen", sagte sie. "Es ist an uns allen, klar in unseren Aussagen zu sein, betonte sie und sagte: "Man tötet keinen Menschen. Punkt."

Bei dem mutmaßlichen Täter fanden die Beamten zwei halbautomatische Waffen, drei weitere lagen in seiner Wohnung. Alle soll der Sportschütze legal besessen haben. Die Beamten fanden auch einen Abschiedsbrief. Mehrere Medien berichteten, bei der Wohnungsdurchsuchung seien Gegenstände mit Motiven aus der ultrarechten Szene gefunden worden. Einen rechtsextremen Hintergrund des Schützen bestätigte die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt nicht.

epd lmw/jup