TV-Tipp: "Operation Zucker: Jagdgesellschaft"

Altertümlicher Fernseher steht auf Tisch
Foto: Getty Images/iStockphoto/vicnt
TV-Tipp: "Operation Zucker: Jagdgesellschaft"
14.8., ARD, 20.15 Uhr
Das Drama "Operation Zucker" (2013) ist bis heute eines der schockierendsten Werke der jüngeren Fernsehgeschichte. Ungeschönt und schonungslos prangert der von Produzentin Gabriela Sperl initiierte Film die furchtbaren Praktiken des organisierten Kindesmissbrauchs in Deutschland an. Das Drehbuch von Philip Koch basierte auf Tatsachen. Rainer Kaufmanns Inszenierung verzichtete selbstredend auf explizite Darstellungen; die Wirklichkeit, erklärte Sperl daher, sei "viel schlimmer, als wir sie darstellen."

Der Titel "Operation Zucker: Jagdgesellschaft" (Erstausstrahlung: 2016) lässt eine Fortsetzung vermuten, zumal LKA-Beamtin Karin Wegemann (Nadja Uhl) erneut die zentrale Figur ist; das von Regisseurin Sherry Hormann bearbeitete Drehbuch stammt diesmal von Friedrich Ani und Ina Jung. Tatsächlich aber wirkt der Film eher wie ein Remake, denn die Grundzüge der Handlung sind identisch: Auch diesmal ist die Berliner Kommissarin einem Netzwerk auf der Spur, das den Ermittlern jedoch stets einen Schritt voraus ist, weil die Mitglieder aus den höchsten Kreisen stammen und bei Polizei und Justiz willige Helfer haben. Selbst wenn der Vergleich in diesem Zusammenhang fahrlässig verharmlosend klingt: Wegemann fühlt sich wie in der Fabel von Hase und Igel. Zu den Parallelen zwischen den Drehbüchern gehört auch das Stilmittel des wiederkehrenden Alptraums, den eins der Opfer hat.

Wo sich die beiden Filme unterscheiden, wird es mitunter plakativ: Gleich zu Beginn verprügelt die immer noch unter den Eindrücken ihrer niederschmetternden Erlebnisse stehende Ermittlerin einen Mann, weil sie ihn für einen Päderasten hält; dabei handelt es sich bloß um einen Vater, der sich liebevoll um seinen blinden Sohn kümmert. Das Autorenduo versichert glaubhaft, die geschilderten Kinderschicksale seien ebenso wenig erfunden wie die Charaktere der Täter; umso ausgedachter wirkt die Eingangsszene. Es gibt noch weitere Ungereimtheiten; so werden zum Beispiel wichtige Figuren nicht näher eingeführt, und einige Szenen sind zumindest missverständlich, wenn nicht gar widersprüchlich. Im Unterschied zu Kaufmann gelingt es Hormann zudem nicht restlos überzeugend, die Authentizität der gezeigten Ungeheuerlichkeiten zu vermitteln, weil der Film zu sehr wie ein TV-Thriller wirkt. Die vorgetragenen Informationen über das Thema wiederum hören sich an wie Sätze aus einer Informationsbroschüre.

Andererseits trägt der dick aufgetragene Auftakt dazu bei, die an Paranoia grenzende Haltung der Hauptfigur zu vermitteln: Aus Sicht der von Uhl mit einer energischen Körpersprache versehenen Kommissarin ist Deutschland eine Täterschutzgesellschaft, und weil Hormanns Inszenierung sämtliche männliche Figuren konsequent in der Schwebe hält, überträgt sich die misstrauische Perspektive der Kommissarin nahtlos. Als Wegemann von einem Journalisten (André Szymanski) konkrete Hinweise bekommt, kehrt sie in den aktiven Dienst zurück, um gegen ein Netzwerk in Brandenburg zu ermitteln. Aber ganz gleich, auf wen sie dort trifft, alle Männer könnten Teil der "Jagdgesellschaft" sein: der Kollege in Potsdam (Mišel Matičević), der offenkundig den Auftrag hat, sie zu überwachen, der Staatsanwalt (Rainer Bock), ein Staatssekretär (Robert Schupp); und selbst der Innenminister (Matthias Matschke). Keiner glaubt ihr, als sie die Überzeugung vertritt, hinter der Maske eines angesehenen Bauunternehmers (Sebastian Hülk) verberge sich ein Mann, der junge Mädchen wie ein Kurierfahrer einem namenlosen Grauen zuführt. Fast noch abgründiger ist seine von Jördis Triebel als freundliches Monster verkörperte Frau, die überzeugt ist, sie tue den Mädchen etwas Gutes. Und so ist "Operation Zucker: Jagdgesellschaft" trotz der Einwände sehenswert: inhaltlich, weil die Botschaft erneut erschüttert; und handwerklich, weil die Schauspieler ausnahmslos gut sind, zumal Hormann gerade die Kinder ganz ausgezeichnet geführt hat.