Was der Wal mit Ostern zu tun hat

Darstellung der Geschichte von Jonah und dem Wal auf einem Gemälde.
Foto: Hulton Archive/Culture Club/Getty Images
Die Geschichte von Jonah und dem Wal hat Künstler zu ihren ganz eigenen Interpretationen inspiriert.
Was der Wal mit Ostern zu tun hat
Auf frühchristlichen Sarkophagen findet sich das Symbol des Wals. Es erinnert an den Propheten Jona. Am dritten Tage entkam er aus dem Bauch des Fisches. Am dritten Tage? Kommt Ihnen das bekannt vor? Ja, der Wal in der Geschichte mit Jona hat auch etwas mit Ostern zu tun.

Der Walfisch verspürte eine innere Leere. Drei Tage lang hatte ein guter Fang seinen Magen gefüllt, doch nun muss er ihn wieder ausspeien. Nach drei Tagen gebietet Gott dem Meeresriesen den Propheten Jona herauszugeben. Ähnlich ergeht es dem Tod, drei Tage hatte er Jesus von Nazareth in seiner Gewalt. "Am dritten Tage", so sprechen wir es im Glaubensbekenntnis, ist Jesus "auferstanden von den Toten.“ Jesus wird dem Tod entrissen und Gott zeigt sich als Gott des Lebens, das feiern Christinnen und Christen an Ostern.

Die Geschichte des Propheten Jona im Alten Testament wird in der frühen Christenheit mit einem besonderen Fokus erzählt. Für sie ist Jona im Bauch des Walfisches eine Verheißung, die Jesu Tod und Auferstehung ankündigt. Bereits im Matthäusevangelium vergleicht Jesus sein bevorstehendes Schicksal mit dem des Propheten Jona aus dem Alten Testament: "Denn gleichwie Jona war drei Tage und drei Nächte in des Walfisches Bauch, also wird des Menschen Sohn drei Tage und drei Nächte mitten in der Erde sein." (Luther 1912)

Und so erscheint der Walfisch in den ersten Jahrhunderten der Kirche als Symbol für die Auferstehung. Er ziert Sarkophage und die Wände von Katakomben. Hier bettet die christliche Gemeinde Roms ihre Verstorbenen zur Ruhe und erhofft für die Entschlafenen die Auferstehung am jüngsten Tage. Als Zeichnung oder Ritzung in Ton schmückt der Wal auch Anhänger, Weihwasser- und Taufbecken, Häuser- und Kirchenwände. Denn in beiden Erzählungen geben Christen den Grund ihrer Hoffnung weiter: ihren Glauben an Gottes Gnade, die stärker ist als der Tod. Das junge Christentum übernahm die Lektüre der alttestamentlichen Schriften aus dem Synagogengottesdienst mit großem Selbstverständnis.

In den Prophetenbüchern fanden sie die Verheißungen, deren Erfüllung sie in Jesu Leben und seiner Auferstehung erfüllt sahen. Und so wurde die Jona Erzählung auf die Episode der Errettung aus dem Wal zugespitzt und nach dem Schema von Verheißung und Erfüllung in den christlichen Gemeinden tradiert.

Buchmalerei, England um 1260. Jona entkommt dem Wal wie Christus seiner Grabstätte.

So erzählt das Alte Testament vom Propheten Jona, den Gott aussandte um über Ninive Unheil zu verkünden. Jona fühlt sich dieser Aufgabe nicht gewachsen und unternimmt den ausweglosen Versuch, vor Gottes Angesicht zu fliehen, sich ungesehen vor Gott aus dem Staub zu machen. Jona merkte schnell den Fallstrick seines Planes: es gibt keinen Ort, an dem Gott ihn nicht im Blick hätte. Selbst dort auf dem Meer, am Rande der Erde verliert Gott seinen Propheten nicht aus den Augen. Gott lässt einen Sturm über das Fluchtschiff hereinbrechen und die Bootsbesatzung sieht sich gezwungen den Grund der Heimsuchung über Bord zu werfen: den feigen, flüchtigen Propheten. "Und der Herr ließ einen großen Fisch kommen, der Jona verschlingen sollte. Und drei Tage und drei Nächte lang war Jona im Bauch des Fisches."

Die Erzählung ist nicht frei von Ironie. Durch Gottes Walten kommt Jona an einen noch entlegeneren Ort – ein wahrhaft gottverlassener Ort- auf den Meeresgrund, in die Eingeweide eines monströsen Fisches. Nur um zu erfahren, es gibt zwischen Himmel und Erde keinen Ort, an dem Gott nicht seine Macht erweisen könnte. Und er erweist sich mächtig - vor allem jedoch gnädig gegenüber Jona, und er erhört sein Gebet. Der Wal muss seine wertvolle Fracht wieder herausgeben: "Und der Herr sprach zu dem Fisch, und der spie Jona aus ans Land".

Der Prophet wird entgegen seiner eigenen Absicht zur wandelnden Botschaft Gottes. Er kehrt zurück nach Ninive und bezeugt Gottes Wesen, als barmherziger Gott, der rettet obwohl eine Strafe angemessen wäre. Gott hat Jonas Gebet erhört. "Ich rief zu dem HERRN in meiner Angst, und er antwortete mir. Ich schrie aus dem Rachen des Todes, und du hörtest meine Stimme."

Diese Rettung wird im Neuen Testament noch überboten: Jona wird durch Gottes Wirken an den denkbar entlegendsten Ort auf Erden verschlagen, doch Jesus verlässt die Sphäre des göttlichen Wirkens und liegt gebettet im Reich des Todes. Die Totenwelt wird zum Ort, an dem sich Gottes Gnade erweist. Jesus stirbt am Kreuz und wird ins Grab gelegt. Im ersten Licht des Ostermorgens, des dritten Tages nach der Kreuzigung ihres Herrn, kommen drei Frauen in den Garten und finden ein leeres Grab vor. Denn Jesus erscheint seinen Jünger*innen und zeugt von Gottes Sieg über den Tod.

Jona und der auferstandene Christus erzählen Ostergeschichten von Gottes rettendem Eingreifen, dem Grund der Osterfreude. Im hebräischen Urtext  ist von einem Wal übrigens noch keine Rede. Die Septuaginta, die den Text ins Griechische überträgt, macht aus einem großen Fisch einen κῆτος (kētos). Dieses Wort kann beides bezeichnen, einen Walfisch und ein mythisches Seeungeheuer. "Und Gott schuf große Walfische und allerlei Getier", übersetzt Martin Luther die Erschaffung der Meeresbewohner im ersten Schöpfungsbericht. Wenn der Walfisch sich in die Erzählung vom Propheten Jona schmuggelt, dann wird deutlich: Gott gebietet über den Meeresriesen und seine Herrschaft erstreckt sich über alle Bereiche der Welt. Und an Ostern ganz besonders deutlich auch über den Tod.

Dieser Beitrag erschien erstmals am 01.04.2018 bei evangelisch.de.