Auf sicherem Grund bauen

Auf sicherem Grund bauen
Evangelischer Rundfunkgottesdienst aus der Evangelischen Stadtkirche St. Laurentius
13.08.2017 - 10:05
Über die Sendung

Wer sein Haus nicht auf Sand, sondern auf festen Grund baut, der kann dauerhaft darin wohnen, hat Jesus gesagt. „Auf sicherem Grund bauen“ – das ist das Thema im Evangelischen Gottesdienst aus Nürtingen. Pfarrer Markus Lautenschlager wird das Gleichnis vom Hausbau auslegen. In seiner Predigt sucht er herauszufinden, welches der feste Grund für das Lebenshaus heutiger Menschen sein könnte.

Im Gottesdienst werden Lieder erklingen, die im Vertrauen auf Gott befestigen und gewiss machen können. Das Vokalensemble der Nürtinger Stadtkirche „capella laurentiana“ und das Orchester der Stadtkirche musizieren unter der Leitung von Angelika Rau-Culo. Es werden Lieder der Reformation von Martin Luther und Georg Neumark erklingen. An der Orgel ist Michael Culo zu hören.

Das Städtchen Nürtingen liegt am oberen Neckar, etwa 30 km südlich von Stuttgart. Die Stadtkirche St. Laurentius ist das Wahrzeichen der Stadt. Sie wurde im 15. Jahrhundert erbaut und war 1488 fertiggestellt, aus dieser Zeit stammt auch das Kreuzrippengewölbe im Chorraum der Kirche.

Gottesdienst nachhören
Predigt zum Nachlesen

Liebe Gemeinde - hier in der Nürtinger Stadtkirche und wo immer Sie uns am Radio hören,

auf festen Grund bauen. Wer wollte das nicht?
Buchstäblich das eigene Haus, zumal in Zeiten von Jahrhunderthochwassern und Erdbeben. Und symbolisch das eigene Leben.
Die  capella laurentiana  hat uns eben mit Worten des Liederdichters Georg Neumark den Weg gewiesen: „Wer Gott, dem Allerhöchsten, traut, der hat auf keinen Sand gebaut.“ Also Gottvertrauen. Gott ist das Fundament. Und wir bauen unser Leben auf ihn, indem wir ihm vertrauen. So einfach ist das.
Wie so oft in existentiellen Fragen ist das Einfachste zugleich das Schwierigste. „Das hat mir noch nie jemand gesagt, wie ich das machen müsse: glauben.“ Das hat eine Frau auf dem Heimweg von einem christlichen Vortrag gesagt – und viele haben sicher schon genauso gedacht.
Freilich, es gibt glückliche Fügungen, die das Glauben begünstigen. Wie jene, die Georg Neumark zu seinem Choral inspirierte. Ihm wollte es in Hamburg nicht recht glücken, er konnte keine Anstellung finden und alle Hoffnung auf Gottes Hilfe war ihm erloschen. Er hatte wehmütig Abschied genommen von allen Bekannten. Mit Hamburger Bierkutschern machte er sich auf den Weg nach Kiel in Holstein. Er kam dort an, legte sich in einer Herberge nieder mit dem kindlichen Vertrauen, dass Gott ihm väterlich helfen und ihn versorgen möge. Und wirklich: Ein Oberpfarrer und ein Stadtarzt in Kiel nahmen sich des hochgebildeten Jünglings an und verhalfen ihm zu einer Hauslehrerstelle. Nachdem er diese bekommen hatte, schrieb er voller Dankbarkeit das Lied "Wer nur den lieben Gott lässt walten". So kann es gehen mit dem Gottvertrauen.
Aber es gibt auch das andere: Da sitzen sie im Gefängnisgottesdienst und singen mit ihren rauen Männerkehlen ein anderes dieser großen christlichen Vertrauenslieder: „Bis hierher hat mich Gott gebracht durch seine große Güte“. Wer Heinz Rühmann in der Hauptrolle des Schusters Voigt einmal im Hauptmann von Köpenick gesehen hat, wird wohl die Szene nicht mehr los. Zumindest ich kann seitdem diesen Choral nur noch mit einem bittersüßen Lächeln singen.
Und nun kommen die Fragen. Warum soll es Gott sein, der Neumark geholfen hat? Waren es nicht der Oberpfarrer und der Stadtarzt? Und wenn es hier Gott war, hat dann nicht auch Gott „in seiner großen Güte“  Voigt ins Gefängnis gebracht? Aber nein, das war doch die preußische Gesellschaft, in der die Ordnung über den Menschen steht: Ohne Aufenthaltsgenehmigung keine Arbeit. Ohne Arbeit keine Aufenthaltsgenehmigung. Solchen unmenschlichen Ordnungen fallen Menschen immer wieder zum Opfer.

Aber: Von Menschen gemachte Gesetze, können Menschen ändern. Muss dann nicht gelten: Kämpft für eine bessere Welt! Wer hier mit Neumark gottergeben singt „Man halte nur ein wenig stille und sei doch in sich selbst vergnügt“, lästert der nicht Gott? Gott will doch, dass Menschen leben können. Dazu sollen die Ordnungen der Welt dienen.
Werfen wir einen genaueren Blick auf das Gleichnis Jesu, das wir vorhin gehört haben. Es beschließt die Bergpredigt: „Wer diese meine Rede hört und tut sie, der gleicht einem klugen Mann, der sein Haus auf Fels baute.“ Nach dem Glauben, dem Gottvertrauen hatten wir gefragt, und Jesus antwortet mit dem Tun. Wer meine Rede tut, baut auf festen Grund. Wir klagen über den Mangel an Glauben. Und Jesus ruft uns zum gehorsamen Tun. „Sage nicht“, so Dietrich Bonhoeffer in seiner Auslegung der Bergpredigt, „sage nicht: Ich habe den Glauben dazu nicht. Du hast ihn solange nicht, als du in Ungehorsam bleibst solange du den ersten Schritt nicht tun willst.“ Du kannst nicht glauben? Dann beginne mit dem Tun. Gehorchen kannst du.


Gehorchen kommt von Horchen. Aufmerksam hinhören. Die Stimmgabel. In dem Spielfilm Vaya con Dios steht dafür eine alte Stimmgabel. Der sterbende Abt vermacht sie Arbo, dem einzigen Novizen.  Sequere vocem, sagt er ihm. Höre auf die Stimme deines Herzens. Und folge ihr.
Ein erfundener Mönchsorden, die Kantorianer. „Wir glauben, dass der Heilige Geist Klang ist“, sagen sie. Nur zwei Klöster gibt es noch, erzählt der Film: eins in Brandenburg und das italienische Mutterkloster. Nach dem Tod des Abtes müssen die drei übrig gebliebenen Mönche das überschuldete Kloster verlassen. Der letzte Auftrag: Bringt die Regel des Cantorianer-Ordens nach Italien, ins Mutterkloster. Es entwickelt sich ein Roadmovie, in dessen Verlauf sich für jeden die Frage stellt: Was ist meine Berufung? Was ist meine Aufgabe?
Hörst du die Stimme deines Herzens? Soll Tassilo nicht doch seiner verwitweten Mutter auf dem Bauernhof helfen statt nur zu singen? Der junge Arbo verliebt sich in die Journalistin Chiara. Und dem Musikwissenschaftler Benno macht sein Jugendfreund das Angebot, die ungehobenen Notenschätze der jesuitischen Bibliothek in Karlsruhe zu erforschen. Ist das  nicht die Chance seines Lebens? Freilich, das Angebot hat einen Haken. Der Ordensgeneral der Jesuiten möchte die Regel des Cantorianer-Ordens an sich nehmen, um das häretische Buch zu vernichten.
Benno akzeptiert. Er legt die Cantorianer-Kutte ab. Er hört auf zu singen. Er besucht die Jesuitenmesse. Arbo und Tassilo beschließen: Wir erinnern Benno an seine Berufung. Auch sie besuchen den Gottesdienst. Und dann die Schlüsselszene des Films mit unserem Choral „Wer nur den lieben Gott lässt walten“. Sie hat Gänsehautpotential. Chiara bezirzt den Organisten, er solle ihren Lieblingschoral spielen. „Ehrlich gesagt, ich komme nur wegen ihres Orgelspiels in den Gottesdienst.“ Die Gemeinde singt – durchschnittlich-dürftig. Dann aber setzen die beiden Cantorianer ein, Arbo, der Countertenor und Tassilo der Bariton. „Er kennt die rechten Freudenstunden.“
Wird der Klang das Herz Bennos erreichen? Wird er der Stimme folgen. Er kämpft mit sich, seine Lippen zucken, er beginnt, leise mitzusingen. Dann erhebt er sich und komplettiert mit seinem vollen Bariton das Trio. Die drei fliehen aus der Kirche  - die Regula ihres Ordensgründers rettend.
Hören, Aufstehen, den entscheidenden ersten Schritt des Gehorsams gehen. „Sing, bet und geh auf Gottes Wegen, verricht das Deine nur getreu und trau des Himmels reichem Segen, so wird er bei dir werden neu. Denn welcher seine Zuversicht auf Gott setzt, den verlässt er nicht.“
Die Stimmgabel gibt den Ton an. Sie ist leise. Und dennoch unverzichtbar für den gemeinsamen Gesang. Er trägt ihn wie das Fundament den Bau. Mit der Bergpredigt hat Jesus den Ton der Gottesherrschaft angeschlagen, kreativ, gewaltfrei, überraschend, großzügig, überzeugend. „Alles was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch!“ – „Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen, damit ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel. Denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute.“ – „Sorgt nicht um euer Leben! Euer himmlischer Vater weiß, dass ihr all dessen bedürft.“ Das ist der Ton, den Jesus angibt.
Hören wir den Klang? Findet er Resonanz in unseren Herzen? Dann lasst uns ihm trauen und unser Leben darauf bauen. Stehen wir auf. Gehen wir den ersten Schritt des Gehorsams und des Glaubens. Die Zusage Jesu, mit der Matthäus sein Evangelium beschließt, gibt uns festen Grund unter die Füße: „Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ Amen.