Bundestag stimmt für Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsstaaten

Bundestag stimmt für Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsstaaten
Nach den Balkan-Staaten will Deutschland weitere Staaten als sicher erklären. Am Freitag stimmte der Bundestag für eine entsprechende Deklarierung von Tunesien, Algerien und Marokko. Das Ziel: Schnelle Asylverfahren und Abschiebungen.

Berlin (epd) Die Maghreb-Staaten Tunesien, Algerien und Marokko sollen als sichere Herkunftsländer eingestuft werden. Der Bundestag stimmte am Freitag mit großer Mehrheit für ein entsprechendes Gesetz der Bundesregierung. Sie verspricht sich davon schnellere Verfahren für Asylbewerber aus diesen Ländern und die Möglichkeit, sie schneller in ihre Heimat zurückzuschicken. Der Bundesrat muss der Einstufung noch zustimmen, bevor sie inkraft treten kann. Scharfe Kritik kam von der Opposition und den Kirchen. Die Menschenrechtssituation in den drei Ländern spricht in ihren Augen gegen das Etikett "sicher".

Asylanträge von Menschen aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten können in Schnellverfahren behandelt und in aller Regel als "offensichtlich unbegründet" abgelehnt werden. Angesichts steigender Flüchtlingszahlen hatte der Gesetzgeber in den vergangenen zwei Jahren auch die sechs Balkanstaaten Bosnien-Herzegowina, Albanien, Montenegro, Mazedonien, Kosovo und Serbien als sicher eingestuft.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) verteidigte sein Gesetz am Freitag im Bundestag. Es sei ein "wichtiger Schritt", um das Asylsystem effizienter zu machen. In seiner Rede ging er auch auf Vorwürfe von Menschenrechtsorganisationen ein, die Folter, Verfolgung von Homosexuellen, mangelnde Presse- und Meinungsfreiheit sowie fehlenden Schutz von Frauen und Mädchen vor Vergewaltigungen in Tunesien, Marokko und Algerien beklagen. Er kenne die kritischen Fragen, die mit der Menschenrechtslage dort verbunden sind, sagte de Maizière.

Kritik von der Opposition

Aus der abstrakten Androhung der Todesstrafe oder abstrakten Verfolgung von Homosexualität ergebe sich aber noch kein Anspruch auf Asyl, sagte der Minister. Gleichzeitig betonte er, individuell Verfolgte würden weiter Schutz bekommen: "Wer die Voraussetzungen für das Recht auf Asyl erfüllt, kann bleiben."

Gegner des Gesetzes haben allerdings Zweifel daran, dass die Verfolgung erkannt wird. Wenn es eine "Vorvermutung" gibt, sei es schwieriger, Verfolgung glaubhaft zu machen, kritisierte die flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Luise Amtsberg, im Bundestag. Sie kritisierte de Maizières Äußerung über eine "abstrakte" Gefahr. Für die betroffenen Menschen sei dies sicher nicht "abstrakt", sagte Amtsberg.

Ulla Jelpke (Linke) sagte, entscheidendes Kriterium für die Einstufung sei die Lage in den Ländern. Menschen müssten sicher vor Folter, Verfolgung und Diskriminierung sein. Das sei hier nicht der Fall. Die Einstufung bezeichnete sie als "Einschnitt im Grundrecht auf Asyl".

Diakonie: Gesetz rührt am Kern des Grundrechts auf Asyl

Grüne und Linke lehnten das Gesetz ab, die SPD stimmte mit dem Koalitionspartner Union dafür. Es sei ein ausgewogener und notwendiger Kompromiss, sagte der SPD-Innenpolitiker Burkhard Lischka. Wenn bei der Aufnahme von Asylbewerbern keine Grenzen gesetzt würden, überlasse man das Feld Rechtspopulisten und Fremdenfeinden, sagte er.

Kritik kam dagegen auch von Kirche und Diakonie. "Es rührt am Kern des Grundrechts auf Asyl - dem Recht auf individuelle Prüfung - diese drei Länder als sichere Herkunftsstaaten einzustufen", sagte Diakonie-Präsident Ulrich Lilie den Tageszeitungen des "RedaktionsNetzwerks Deutschland" (Freitagsausgaben). Es berge die Gefahr, dass das Ergebnis des individuellen Asylverfahrens vorweggenommen wird, sagte Caritas-Präsident Peter Neher.

Ob die erforderliche Zustimmung des Bundesrats nach den veränderten Verhältnissen durch die Landtagswahlen im März zustande kommt, ist noch ungewiss. De Maizière zeigte sich optimistisch: "Ich setze hier auf die Pragmatiker bei den Grünen", sagte er der "Rheinischen Post" (Freitagsausgabe).