Luther tief von Judenfeindlichkeit geprägt

Reformator Martin Luther war kein Judenfreund.
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Vor allem in seiner späten Lebensphase hat sich der Reformator aggressiv über die Juden geäußert, doch auch schon als jüngerer Theologe war Martin Luther alles andere als ein Judenfreund.
Kirchenhistoriker
Luther tief von Judenfeindlichkeit geprägt
Der Reformator Martin Luther war nach Einschätzung des Kirchenhistorikers Thomas Kaufmann tief von judenfeindlichen Vorstellungen geprägt. Vor allem in seiner späten Lebensphase habe er sich aggressiv über die Juden geäußert, sagte der Göttinger Theologe Thomas Kaufmann dem epd am Rande einer Tagung der Evangelischen Akademie Loccum in Niedersachsen.

Vor allem in seiner späten Lebensphase habe er sich aggressiv über die Juden geäußert, sagte der Göttinger Theologe Thomas Kaufmann dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Rande einer Tagung der Evangelischen Akademie Loccum in Niedersachsen. Das gelte etwa für seine Forderung, Synagogen niederzubrennen und jüdische Häuser einzureißen. "Auch in seiner frühen Lebensphase war er alles andere als ein Judenfreund." In Loccum diskutieren bis zum Dienstag Theologen und Historiker über "Martin Luther und die Juden".

Es gebe von Luther (1483-1546) eine ganze Reihe von Aussagen, in denen er den Juden eine besondere Wesensnatur zuschreibe, erläuterte Kaufmann. Der Reformator habe den Juden magische Praktiken, schrankenlosen Wucher und Christenhass unterstellt. Er habe auch bezweifelt, ob Juden, die sich taufen lassen wollten, es wirklich ernst meinten. Seit 1525 habe er sogar obsessive Angst gehabt, von Juden vergiftet zu werden. "Das speist sich aus einem trüben Rinnsal vormoderner antisemitischer Vorstellungen." Allerdings teile Luther diese Vorstellungen mit vielen seiner Zeitgenossen.

Die Haltung Martin Luthers zu den Juden gilt als große Belastung für die Geschichte der evangelischen Kirche. Fatal und bedrückend sei, dass sich die Nationalsozialisten 400 Jahre später auf Luther berufen hätten, sagte Kaufmann. "Man muss davon ausgehen, dass mit niemandes Worten so häufig und so nachdrücklich der Synagogenbrand propagiert worden ist wie mit Luthers Worten." Allerdings sei Luthers Intention eine völlig andere gewesen: "Die Nazis haben nichts so sehr gehasst wie das Alte Testament. Luther kämpft für das Alte Testament, für eine christliche Lesart." Anfangs habe er noch geglaubt, die Juden bekehren zu können.

Kaufmann plädierte für einen kritischen Blick auf den Reformator: "Luther ist in Bezug auf seine Urteile über Juden von der Bibel her zu kritisieren und in die Schranken zu weisen." In der Bibel gebe es Traditionen, die das Verhältnis der Christen zu den Juden deutlich positiver bestimmten.

Luthers Lehre von der Gnade Gottes lasse sich heute auch ohne Judenhass formulieren. "Der Mann hat Licht- und Schattenseiten, und wir sollten reflektiert mit diesem komplexen Erbe umgehen", betonte der Theologe. Das gelte auch für Luthers Dichtung: "Ich sehe nicht ein, warum ich einige seiner großartigen Lieder verachten soll, nur weil er schandbare Schriften im Verhältnis zu den Juden geschrieben hat." Mit Blick auf das 500. Reformationsjubiläum 2017 plädierte Kaufmann dafür, Luther nicht allein, sondern in einer Reihe mit anderen wichtigen Reformatoren zu betrachten.

Dieser Artikel erschien erstmals am 10. April 2015 auf evangelisch.de