Unruhe vor der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns

Unruhe vor der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns
Deutschland zieht in der Europäischen Union nach und führt zum 1. Januar 2015 den flächendeckenden Mindestlohn ein. Von wenigen Ausnahmen abgesehen bekommen alle Arbeitnehmer mindestens 8,50 Euro die Stunde. Einige Branchen sind deshalb in Sorge.
15.12.2014
epd
Florian Naumann

Zum Jahreswechsel wird der flächendeckende Mindestlohn Realität - Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften hegen aber noch einige Sorgen. So arbeiten einige Arbeitgeber noch an Vertragsabschlüssen, um steigende Personalkosten zu refinanzieren, wie der Evangelische Pressedienst (epd) erfahren hat. In manchen Branchen werden auch Entlassungen befürchtet. Die Gewerkschaften zeigen sich in dieser Frage gelassen. Sie warnen aber vor Mauscheleien bei der Arbeitszeiterfassung.

So sagte Thomas Grätz, Geschäftsführer des Deutschen Taxi- und Mietwagenverbands, im Schnitt müssten die Taxitarife um 25 Prozent steigen, um Mehrkosten zu kompensieren. Entsprechende Übereinkünfte seien bereits "überraschend häufig" gefunden worden - es liefen aber auch noch Gespräche in einigen Tarifgenehmigungsbezirken sowie mit Blick auf Krankenfahrten auch mit den Krankenkassen. Grätz sagte, er gehe davon aus, dass dennoch jeder vierte der rund 200.000 Arbeitsplätze im Taxigewerbe wegfallen werde.

Gute Preise für gute Produkte

Der Präsident des Callcenter-Verbandes Deutschland, Manfred Stockmann, sagte auf Anfrage, nur wenige Callcenter hätten 2014 noch Stundensätze unter Mindestlohnniveau gezahlt. Einige Anbieter würden nun aber noch "heftige Auseinandersetzungen mit ihren Auftraggebern" ausfechten, um weiter wirtschaftlich arbeiten zu können. Bisweilen würden die Auftraggeber Verhandlungen "eiskalt dazu nutzen, die schon spärlichen Margen noch weiter zu drücken".

Die Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), Ingrid Hartges, erklärte, wichtig sei derzeit vor allem, die Betriebe über die Regelungen des Mindestlohns zu informieren. Außerdem hoffe sie, "dass die große Mehrheit der Bevölkerung, die den Mindestlohn befürwortet hat, jetzt auch bereit ist, für gute Produkte und Dienstleistungen gute Preise zu bezahlen". Grätz und Stockmann erklärten den Unwägbarkeiten zum Trotz, ihr Verbände befürworteten den Mindestlohn. "Wir wollen auch, dass ein Arbeitnehmer von seiner Arbeit ordentlich leben kann", sagte Grätz.

Mindestlohn effektiv kontrollieren

Die Vertreter von Dehoga und BZP zeigten sich aber auch verärgert über ihrer Ansicht nach mangelnde Ausnahmeregelungen. Hartges sagte, den Mindestlohn ohne Ausnahmen einzuführen, sei ein Fehler gewesen. "Wenn Arbeitsplätze und Existenzen gefährdet werden, steht die Bundesregierung in der Verantwortung. Gerade in den ersten drei bis sechs Monaten des Mindestlohns wird die Politik sehr genau hinsehen müssen." Grätz betonte, dass für Zeitungsausträger, aber nicht für das Taxigewerbe eine Ausnahmeregelung gefunden worden sei, sei "eine große Sauerei".

Die Gewerkschaften in den betroffenen Branchen befürchten unterdessen Mauscheleien der Arbeitgeber. Sowohl die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) als auch die Kommunikationsgewerkschaft DPVkom forderten, die Dokumentation der Arbeitszeit müsse besser geregelt werden, um Missbrauch zu vermeiden. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di sprach sich zudem für eine Aufstockung der zuständigen Beamten beim Zoll aus, um die Zahlung des Mindestlohns effektiv überwachen und kontrollieren zu können.