Bewegender Abschied von Tugce Albayrak

Abschied von Tugce
Foto: dpa/Boris Roessler
Abschied, Trauer und Blumen: Viele begleiten Tugce Albayrak auf ihrem letzten Weg.
Bewegender Abschied von Tugce Albayrak
Die nach einem Prügelangriff gestorbene Studentin ist in ihrem Heimatort in Hessen zu Grabe getragen worden. Rund 1500 Menschen erwiesen ihr am Mittwoch in Bad Soden-Salmünster die letzte Ehre.

Am Mittag hatte zunächst eine Trauerfeier nach islamischem Ritus vor einer Moschee im benachbarten Wächtersbach stattgefunden. Viele hatten sich nach dem Mittagsgebet vor der Moschee des Türkisch-Islamischen Kulturvereins versammelt, um sich von Tugce Albayrak  zu verabschieden und für sie zu beten. Dazu wurde der Sarg zwischen einer deutschen und einer türkischen Fahne aufgebahrt. "Wir sind alle sehr traurig. Das ist eine sehr emotionale Situation für uns", sagte der Ditib-Vorsitzende von Wächtersbach, Hakan Akbulut. Viele Menschen trugen ein Foto von Tugce an der Jacke. Noch bevor sich Hunderte Trauernde vor der Moschee drängten, lagen bereits einige Blumengebinde auf Tischen vor dem Gebäude, mit denen die Menschen ihre Anteilnahme und Trauer ausdrücken. Ein Gesteck aus rosa und weißen Rosen trägt ein Band mit der Aufschrift: "Es hätte auch meine Tochter sein können". An einem anderen steht: "Unser Engel, Du wirst immer in unseren Herzen bleiben." Auch die Atmosphäre vor der Moschee war am Mittag bedrückend. Tiefe Betroffenheit spiegelte sich in den Gesichtern der Menschen. Cevdet Akbulut sagte: "Es ist traurig. Da will ein Mensch helfen und wird selbst Opfer." Ein paar Meter weiter stand Erdogan Kaynar und kämpfte mit den Tränen: "Es schmerzt so sehr in unseren Herzen."

###mehr-artikel###Nach dem islamischen Totengebet wurde der Sarg anschließend in einem Konvoi zur Beerdigung nach Bad Soden-Salmünster gebracht. Die Trauergäste wurden in mehreren Bussen transportiert, die Landstraße zeitweilig für den Verkehr gesperrt. Dort wurde der Leichnam am Nachmittag nach muslimischem Ritus beigesetzt. Auch Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) und der türkische Botschafter Hüseyin Avni Karslioglu zählten zu den Trauergästen. Auf dem kleinen Friedhof strömten die Menschen ans Grab, legten Blumen und Kränze nieder. Die Geistlichen predigten mit einem Megafon, damit alle sie hören konnten.

"Du wirst immer in unseren Herzen bleiben"

Der Sarg der verstorbenen Studentin Tugce Albayrak wird zum Grab getragen.
Die tragische Geschichte der Lehramtsstudentin hat bundesweit die Menschen bewegt, viele drückten Entsetzen und Trauer im Internet aus. Egi Deidda (42) und ihre Tochter Alicia (14) sind aus dem nahen Maintal zur Trauerfeier nach Wächtersbach gekommen. "Nicht jeder hat solch einen Mut wie sie. Ich hätte wahrscheinlich wie viele andere weggeschaut", sagte die Mutter über Tugce. Ihre Tochter Alicia kannte Tugce, wie so viele, die zur Moschee gekommen sind, nicht persönlich. Doch mit ihrer Teilnahme wollten sie der jungen Frau ihren Respekt erweisen.

Viele waren von der Beerdigung tief bewegt - egal, ob sie die junge Frau persönlich kannten oder nicht. "Tugce hat mir gezeigt, dass man jemanden lieben kann, ohne ihn auch nur ansatzweise zu kennen", sagte eine 19-Jährige. Ihre Tat habe so viele Gefühle in ihr geweckt, vor allem Liebe und Stolz. Ein Jugendlicher war statt in die Schule ebenfalls lieber zur Beerdigung gegangen: "Ich bin aus Respekt hier." Tugce zeige, dass es gute Menschen auf der Welt gebe. Ein 26-Jähriger war mit zwei Freunden aus Frankfurt hergefahren, um Abschied von der jungen Frau zu nehmen. "So viele tun nichts", sagte der Mann. "Tugce hatte so viel Mut. Sie hat Respekt verdient."

Zum Symbol für Zivilcourage geworden

Die Lehramtsstudentin ist zum Symbol für Zivilcourage geworden. Die 23-Jährige hatte zwei Mädchen helfen wollen - und dafür mit ihrem Leben bezahlt. Tugce A. soll sich nach Aussagen von Zeugen am frühen Morgen des 15. November in einem Schnellrestaurant in Offenbach eingemischt haben, als die beiden Teenager im Toilettenbereich von mehreren Männern belästigt wurden. Als die junge Frau später das Fast-Food-Lokal verließ, wurde sie von einem jungen Mann zu Boden geprügelt. Tugce A. fiel ins Koma. Bislang ist unklar, ob sie durch den Schlag oder den Aufprall auf den Asphalt tödlich verletzt wurde. Am vergangenen Freitag wurden die lebenserhaltenden Maschinen abgeschaltet: Es war ihr 23. Geburtstag. Der Tod der jungen Frau löste eine Welle der Anteilnahme und Solidarität aus. Am Abend, als die lebenserhaltenden Maschinen abgestellt wurden, harrten rund 1500 Menschen vor dem Krankenhaus aus. Auf einem Klavier spielte ein Musiker die Lieblingsstücke von Tugce.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Körperverletzung mit Todesfolge gegen den mutmaßlichen, 18 Jahre alten Täter. Dieser sitzt in U-Haft und schweigt. Für einen Tötungsvorsatz gebe es keine Anhaltspunkte, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Offenbach. Nach seinen Worten könnten die Ermittlungen in den ersten Monaten 2015 zu Ende gebracht werden. "In Haftsachen, insbesondere mit Jugendlichen, sollte möglichst innerhalb von sechs Monaten angeklagt werden und die Hauptverhandlung beginnen", sagte er. Mit dem Ergebnis aller Obduktionsergebnisse sei im Januar zu rechnen. Zur aktuellen Ermittlungsarbeit gehöre auch, die Qualität des Videos vom Tatgeschehen auf dem Parkplatz verbessern zu lassen.

Verdienstorden für Tugce Albayrak?

Der Imam und viele Trauergäste nehmen Abschied am Grab.
Was genau vor dem Schlag auf dem Parkplatz passierte, ist noch nicht geklärt. Tugce wollte Zeugen zufolge in dem Lokal zwei Mädchen helfen, die von dem 18-Jährigen und anderen Männern bedrängt worden waren. Die Polizei hatte die zwischen 13 und 16 Jahre alte Mädchen mehrere Tage gesucht. Geprüft wird der Vorschlag, Tugce Albayrak posthum einen Verdienstorden zu verleihen. Bundesregierung und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hätten "große Sympathie"  für entsprechende Äußerungen von Bundespräsident Joachim Gauck, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin.

Vor fünf Jahren war auch Dominik Brunner, Manager aus dem niederbayerischen Ergoldsbach, nach seinem für ihn tödlichen Einsatz als Streitschlichter in München posthum mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet worden. Der Geschäftsmann war nach einer Prügelei mit zwei Jugendlichen an einem S-Bahnhof in München gestorben. Er hatte zuvor vier Schüler vor gewalttätigen Männern beschützen wollen.