TV-Tipp des Tages: "Tatort: Im Schmerz geboren" (ARD)

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TV-Tipp des Tages: "Tatort: Im Schmerz geboren" (ARD)
TV-Tipp des Tages: "Tatort: Im Schmerz geboren", 12. Oktober, 20.15 Uhr im Ersten
Gegen die Rache eines Wahnsinnigen und die Methoden bolivianischer Drogenkartelle hat der gute Mensch aus Wiesbaden schlechte Karten. Das Fatale: Murot und jener Mann, der ihn und das BKA demütigen will, waren einst beste Freunde.

Die von Liane Jessen geleitete Fernsehfilmredaktion des Hessischen Rundfunks ist schon beim Mittwochsfilm im "Ersten" immer wieder für Überraschungen gut. Mit seinen "Tatort"-Beiträgen aber spielt der HR seit vielen Jahren in der ersten Krimiliga. Ein echter Knüller in dieser Hinsicht war vor drei Jahren die Einführung des von Ulrich Tukur unnachahmlich verkörperten melancholischen Hauptkommissars Felix Murot. In der mittlerweile über neunhundert Episoden umfassenden "Tatort"-Tradition gehört der LKA-Beamte ohne Frage zu den ungewöhnlichsten Ermittlern. Die bisherigen Geschichten fielen völlig aus dem Rahmen, aber mit "Im Schmerz geboren" haben Autor Michael Proehl und Regisseur Florian Schwarz ein völlig neues Genre kreiert: den Shakespeare-Western.

Der Einstieg ist ein unverblümtes Zitat aus "Spiel mir das Lied vom Tod": Drei bewaffnete Männer warten an einem Provinzbahnhof. Der Zug trifft ein, ein Mann steigt aus; kurz drauf liegen die Männer leblos auf dem Bahnsteig. Auch das Licht und die lakonische Inszenierung (Bildgestaltung: Philipp Sichler) könnten direkt aus einem Italo-Western stammen, aber derartige Anleihen sind ja nichts Neues. Was diesen Krimi aus dem Fernsehalltag herausragen lässt und die Liebhaber etwa der beschaulichen "Tatort"-Beiträge vom Bodensee nachhaltig irritieren wird, ist die Darbietung der Geschichte als klassische Tragödie. Alexander Held begrüßt das Publikum als Erzähler und führt in die Handlung ein. Außerdem spielt er einen der Männer, die später als Leichen den Weg des düsteren Fremden aus dem Zug pflastern werden. Der wahre Gegenspieler dieses Antihelden ist jedoch Murot; aber das wird dem Kommissar erst viel später klar.

Inhaltlich und stilistisch ein bemerkenswerter Film

Bislang war Tukur in den Krimis konkurrenzlos. In diesem Film hat er zum ersten Mal einen Widerpart von Format: Ulrich Matthes ist gerade dank seines sparsam wirkenden, in Wirklichkeit aber essenziellen Spiels herausragend. Allerdings darf er auch eine Figur verkörpern, die im deutschen Fernsehfilm ausgesprochenen Seltenheitswert hat: Vor dreißig Jahren waren Felix Murot und Richard Harloff zwei wegen ihres gemeinsamen Unfugs auf der Polizeischule gefürchtete Freunde. Ihre Seelenverwandtschaft verkraftete sogar die Liebe zur selben Frau; "Jules und Jim" war ihr Lieblingsfilm. Wegen eines Vergehens musste Harloff nach Südamerika flüchten, wo er schließlich zum gefürchteten Drogenbaron aufstieg. Nun ist er wieder in Deutschland, im Schlepptau seinen Sohn David (Golo Euler), der als Auftragskiller alle Gegner seines Vaters aus dem Weg geräumt hat. Angeblich ist Harloff geläutert, in Wirklichkeit aber ist er nur zurückgekehrt, um alte Rechnungen zu begleichen; und der letzte Name auf seiner Liste ist der von Murot.

Das klingt nach einer Film über einen zwar blutigen, ansonsten aber nicht weiter originellen Rachefeldzug, und wenn man „Im Schmerz geboren“ auf die Grundzüge der Handlung reduziert, ist das auch so; dass Held immer wieder als Conferencier auftaucht, könnte man als netten Einfall abtun. Aber Schwarz hat vor zehn Jahren bereits mit seinem Debütfilm „Katze im Sack“ auf sich aufmerksam gemacht und mit „Weil sie böse sind“ (Deutscher Fernsehpreis 2010) schon einmal einen ausgezeichneten "Tatort" für den HR gedreht. Die Drehbücher stammten ebenfalls von Michael Proehl; die beiden haben auch bei dem sehenswerten Sat.1-Krimi "Hannah Mangold & Lucy Palm" zusammengearbeitet.

"Im Schmerz geboren" ist aber nicht nur inhaltlich, sondern auch stilistisch ein bemerkenswerter Film; unter anderem werden aufgrund einer sehr speziellen Krankheit Harloffs (das Stendhal-Syndrom) mehrfach Gemälde lebendig. Reizvoll ist auch die Idee, die Bilder immer wieder einfrieren zu lassen; das Massaker, mit dem der Film endet, wird komplett in Form von Ölbildern umgesetzt. Der Krimi ist ohnehin außerordentlich leichenreich, aber die 47 Toten spielen nur statistisch eine Rolle; im Zentrum steht das tödliche Duell zwischen den alten Freunden. Und dann ist der Film auch noch hörenswert: Die klassischen Aufnahmen des HR-Sinfonieorchesters (unter anderem von Beethoven, Verdi Brahms und Grieg) sind zum Teil eigens für den Film neu eingespielt worden und die perfekte akustische Abrundung dieses Meisterwerks.