Gauck: Historisches Unrecht auch juristisch aufarbeiten

Foto: dpa/Ole Spata
Gauck: Historisches Unrecht auch juristisch aufarbeiten
Noch immer seien nicht alle Opfergruppen aus der NS-Zeit auch als Opfer anerkannt, sagte der Bundespräsident zum Auftakt des Deutschen Juristentags in Hannover. Noch bis Freitag werden die Juristen über aktuelle Rechtsfragen diskutieren.

Bundespräsident Joachim Gauck hat dazu aufgerufen, historisches Unrecht mit Hilfe der Justiz zu verfolgen und aufzuarbeiten. Dabei müssten die Juristen alle Möglichkeiten einsetzen, sagte er am Dienstag in Hannover zum Auftakt des 70. Deutschen Juristentags. So seien immer noch rund 360.000 Menschen, die in der NS-Zeit gegen ihren Willen sterilisiert worden seien, nicht offiziell als Opfer nationalsozialistischer Verfolgung anerkannt. Andere Opfergruppen der NS-Zeit wie Zwangsarbeiter oder Deserteure hätten jahrzehntelang auf ihre juristische Anerkennung hingearbeitet.

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"Strafverfahren haben Aufklärungsfunktion, gerade wenn es um systematisches Unrecht geht", sagte Gauck vor rund 2.500 Anwälten, Richtern und Wissenschaftlern. Juristische, öffentliche und historische Aufarbeitung ergänzten sich oft sehr gut, unterstrich er auch mit Blick auf die ehemalige DDR und den Fall der Mauer vor 25 Jahren. "Noch immer gibt es ungesühnte Verbrechen und Opfer, die gar nicht unbedingt nach Strafe fragen, sondern nach der offiziellen Feststellung, dass Unrecht begangen wurde."

Die Aufklärungsfunktion habe jedoch auch Grenzen, betonte der Bundespräsident. Gerichte fragten grundsätzlich nach dem rechtswidrigen und schuldhaften Verhalten des Einzelnen. "Das Politbüro oder die Stasi konnte man moralisch, nicht aber juristisch als Kollektiv verurteilen." Wenn das Recht allein ein Unrechtsregime aufarbeiten und einen innergesellschaftlichen Ausgleich herbeiführen solle, werde es überfordert.

Stark sei der Rechtsstaat, wenn er seinen Regeln treu bleibe - auch gegenüber denen, die Recht missachtet und missbraucht hätten. "Rache kann er nicht dulden, so verständlich dieses Bedürfnis manchmal sein mag." Gauck nannte das Beispiel des früheren DDR-Staatschefs Erich Honecker, der nach dem Ende der DDR aus gesundheitlichen Gründen juristisch vergleichsweise milde davongekommen sei.

Der Juristentag diskutiert noch bis zum Freitag über aktuelle Fragen des Rechts und will Empfehlungen an den Gesetzgeber richten. Zu den Schwerpunkten gehören mögliche Änderungen im Strafrecht angesichts der kulturellen und religiösen Pluralisierung in Deutschland, das Urheberrecht, die Tarifautonomie und die Reform des Föderalismus.