Lange Haft für Betreiber von Flatrate-Bordellen

Lange Haft für Betreiber von Flatrate-Bordellen
In den sogenannten Flatrate-Bordellen der Pussy-Clubs sind Rumäninnen zu sexueller Akkordarbeit gezwungen worden. Am Donnerstag erhielten die beiden Köpfe des Menschenhändlerrings eine hohe Gefängnisstrafe.
05.04.2012
Von Judith Kubitscheck

Minutenlang grinst der bullige Mann in die Kamera und schiebt sich provozierend langsam ein Bonbon in den Mund. Dass er und sein Komplize das Leben von über 20 rumänischen Frauen ruiniert haben, scheint den Betreiber mehrerer Flatrate-Bordelle nicht zu kümmern - auch nicht, dass er zusammen mit seinem Komplizen am Donnerstag zu einer langjährigen Haftstrafe wegen Menschenhandels verurteilt wurde. Er muss für acht Jahre und sechs Monate ins Gefängnis, sein Komplize für fünf Jahre und drei Monate, entschied das Landgericht Stuttgart am Donnerstag.

Der Vorsitzende Richter, Claus Belling, warf ihnen in seinem Urteil schweren Menschenhandel zum Zweck sexueller Ausbeutung, zum Teil mit Zuhälterei sowie Vorenthaltung und Veruntreuung von Arbeitsentgelt in Millionenhöhe vor. Die beiden Chef-Zuhälter betrieben die Bordellkette "Pussy-Club" mit Etablissements in Fellbach bei Stuttgart, Heidelberg, Berlin und Wuppertal. Für einen Festpreis konnten die Freier Sex mit allen Frauen haben, so lange und so oft sie wollten.

"Auf Kosten der Würde"

Im Laufe der 72 Prozesstage sagten knapp 20 junge Rumäninnen aus und belasteten die Angeklagten schwer. Die Frauen wurden zwischen 2004 und 2008 mit Jobangeboten nach Deutschland gelockt, mussten dann aber gegen ihren Willen in den Bordellen arbeiten. Viele von ihnen waren zu dieser Zeit noch nicht 21 Jahre alt. Auch mussten sie häufig bei Krankheit bis zur Erschöpfung arbeiten.

Die Bordell-Chefs hätten sich auf "Kosten der Würde und Gesundheit der Prostituierten" bereichert, kritisierte Belling. Oft hätten die Prostituierten nicht einmal vier Euro pro Freier erhalten. Die beiden Köpfe des Menschenhändlerrings hätten auf listige Art und Weise die Hilflosigkeit der jungen Frauen ausgenutzt.

So zum Beispiel eine 16-jährige Rumänin, die Tochter eines Waldarbeiters. Ihr versprachen die Bordell-Chefs eine Stelle in einem Restaurant in Deutschland, sagte Richter Belling. Als sie in Heilbronn ankam, wurde ihr gesagt, die Stelle in der Gastronomie sei schon besetzt und sie müsse stattdessen in dem Flaterate-Bordell "No Limit" arbeiten, um ihre Fahrt nach Deutschland abzubezahlen. Sie berichtete von 20 bis 30 Männern, die sie täglich bedienen musste, später im Fellbacher Pussy Club (bei Stuttgart) seien es 50 bis 60 pro Tag gewesen, so der Richter.

Die betroffenen Frauen begrüßen die Verurteilung

"Dieses Strafmaß ist hoch, vielleicht eines der bisher höchsten für Menschenhandel überhaupt", sagte Opferanwalt Jens Rabe dem Evangelischen Pressedienst (epd). Als einen Grund nannte er, dass die beiden Angeklagten nicht nur wegen Menschenhandels verurteilt worden seien, sondern in das Strafmaß auch ein Sozialversicherungsbetrug in Millionenhöhe einfließe.

Die Leiterin des Fraueninformationszentrums Stuttgart, Doris Köhncke, begrüßte das hohe Strafmaß. Die langjährige Haftstrafe für die Club-Chefs zeige, dass Menschenhandel kein Kavaliersdelikt sei. Flatrate-Bordelle sollten verboten werden, sagte Köhncke, die zusammen mit ihrer Kollegin 14 betroffene Frauen im Prozess begleitete. Bei Flatrate-Sex werde die Frau zur Massenware degradiert.

Die 22 betroffenen Frauen sind nicht zur Urteilsverkündigung erschienen. Die meisten leben wieder in ihrer rumänischen Heimat, aus der sie einst weggingen, weil sie sich ein besseres Leben wünschten. Einige schaffen in anderen Etablissements an. Eine Mandantin von Opferanwalt Rabe äußert sich per Telefon: "Es war wichtig für mich, dass das Gericht und die Öffentlichkeit erfährt, unter welchen Bedingungen wir Frauen gehalten wurden." Wesentlich bedeutender als ein hohes Strafmaß sei für sie, dass die Angeklagten nun tatsächlich schuldig gesprochen wurden.

Der Angeklagte ist unbelehrbar

Der Prozess ist abgeschlossen. Der bullige Mann mit Türsteherfigur, der zwischen zwei Polizisten sitzt, grinst immer noch. "Er ist unbelehrbar", beklagt sich sein Verteidiger Werner Haimayer. Bis zum Schluss hätte er sich als nicht schuldig bekannt, er sei ein "Menschenverführer".

In dem Prozess, der seit mehr als einem Jahr vor der 10. Großen Wirtschaftsstrafkammer im Stuttgarter Landgericht verhandelt wurde, waren neun Männer und eine Frau angeklagt. Sechs Männer wurden bereits im Sommer zu Haftstrafen von bis zu fünf Jahren verurteilt, das Verfahren gegen die Frau wurde eingestellt. Am 8. Februar wurde ein weiterer Mann wegen schweren Menschenhandels und Zuhälterei zu zwei Jahren und neun Monaten verurteilt.

epd