Pariser Völkermord-Gesetz schlägt Wellen

Pariser Völkermord-Gesetz schlägt Wellen
Das französische Parlament berät über ein Gesetz, das die Leugnung des Völkermords an den Armeniern unter Strafe stellt. Die Türkei warnt vor ernsten Konsequenzen.

Begleitet von heftigen Protesten der Türkei hat am Donnerstag in der Pariser Nationalversammlung die Debatte über ein geplantes Genozid-Gesetz begonnen. Der Entwurf schreibt hohe Strafen für diejenigen fest, die offiziell anerkannte Völkermorde leugnen - darunter nach französischer Lesart auch die Verbrechen an den Armeniern im Osmanischen Reich 1915-1917.

Mit öffentlichem Druck versucht die Türkei, Frankreich von der Verabschiedung des Genozid-Gesetzes abzubringen. "Wir betrachten diese Gesetzesinitiative als einen Angriff auf die Geschichte der Türkei", erklärte der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu in einem Interview der Zeitung "Le Monde" (Donnerstagausgabe). Ankara befürchtet, wegen der Verfolgung von Armeniern im Ersten Weltkrieg an den Pranger zu geraten.

Sein Land sei weiter dialogbereit, auch wenn dieser Dialog nun durch das geplante Gesetz gefährdet sei, sagte Davutoglu. Eine "intellektuelle Debatte" sei bei einer Annahme des Gesetzes nicht mehr möglich.

Türkei will ihren Botschafter zurückrufen

Wenn das französische Parlament das geplante Gesetz verabschieden sollte, werde die Türkei ihren Botschafter zurückrufen, berichtete die türkische Nachrichtenagentur Anadolu bereits am vergangenen Donnerstag. Ein türkischer Diplomat sagte der Agentur, den türkisch-französischen Beziehungen drohe dann dauerhafter Schaden.

Bereits 2001 hatte Frankreich die Verfolgung von Armeniern in einem Gesetz als Völkermord eingestuft. In den vergangenen Jahren hat sich die französische Politik mehrfach mit der Frage beschäftigt, ob das Abstreiten des Genozids strafbar sein soll. 2006 war in erster Lesung ein Gesetz verabschiedet worden, das bis zu einem Jahr Haft und 45.000 Euro Geldstrafe vorsah. Der Entwurf erhielt zunächst keine Gesetzeskraft. Die Türkei als Rechtsnachfolgerin des Osmanischen Reiches bestreitet einen Genozid.

Erdogan warnt vor schweren Konsequenzen

Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte Paris vor schweren Konsequenzen bei einer Verabschiedung des Gesetzes gewarnt. Der für europäische Angelegenheiten zuständige Minister Jean Leonetti wies das am Donnerstag im Rundfunksender "France Inter" als haltlos zurück und forderte einen "ruhigeren Dialog" mit Ankara. Er glaube nicht an ernsthafte Konsequenzen.

Die Türkei sieht im geplanten Gesetz ein wahltaktisch motiviertes Manöver von Präsident Nicolas Sarkozy, das auf armenischstämmige Wähler zielt. Der Entwurf müsste bei einer Verabschiedung in der Nationalversammlung noch die von den oppositionellen Sozialisten dominierte zweite Parlamentskammer, den Senat, passieren.

Unmittelbar vor der Abstimmung demonstrierten rund tausend Menschen vor der Pariser Nationalversammlung dagegen. Auf Transparenten forderten sie auf, den Gesetzesentwurf zu verwerfen. Im Osmanischen Reich kamen nach unterschiedlichen Schätzungen 1915/16 während des Ersten Weltkriegs zwischen 200 000 und 1,5 Millionen Armenier ums Leben. In Frankreich leben heute rund eine halbe Million armenischstämmige Menschen.

dpa