"Der Altkleidermarkt ist sehr undurchsichtig"

"Der Altkleidermarkt ist sehr undurchsichtig"
In Deutschland werden pro Jahr fast 1,5 Millionen Tonnen Altkleider eingesammelt - für den deutschen Markt ist das viel zu viel. Die Spenden werden daher verkauft. Ob Gutes mit dem Geld getan wird, hängt vom Sammler ab.
09.12.2011
Von Miriam Bunjes

Die Deutschen geben jedes Jahr eine riesige Menge an Altkleidern weg: "Das sind 47.000 große Lastwagen voll", sagt Andreas Voget, Geschäftsführer des Kleidersammler-Dachverbands FairWertung. Das ergäbe eine LKW-Schlange von Kiel bis München. So viel alte Kleidung sortieren die Deutschen jedes Jahr aus, bringen sie zu einem der rund 120.000 Altkleidercontainer oder stellen sie an die Straße, wenn ein Altkleidersammler kommt. Tendenz steigend. "Kleidung wird immer billiger, die Leute kaufen mehr und werfen dann zur neuen Modesaison weg", sagt Voget.

Anderthalb Millionen Tonnen alter Kleidung sind mehr, als deutsche Bedürftige brauchen, sagt Voget. Ein großer Teil der gesammelten Altkleider wird daher an Sortierbetriebe verkauft, die die gespendete Altkleidung nach Qualitätsstufen sortieren und sie dann ins Ausland verkaufen oder recyceln lassen.

"Ein Markt, auf dem sich auch schwarze Schafe tummeln"

"Viele Spender wissen das nicht", sagt Philip Heldt von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. "Der Altkleidermarkt ist für Verbraucher sehr undurchsichtig." Und es ist ein Markt, auf dem sich auch schwarze Schafe tummeln, sagt der Verbraucherschützer. "Gewerbliche Sammler geben vor, für einen guten Zweck zu sammeln, verkaufen dann aber die Ware komplett an Verwertungsunternehmen." Oder sie kaufen für etwas Geld das Logo eines tatsächlich gemeinnützigen Vereins, sammeln in dessen Namen Altkleider und verkaufen sie dann.

Auf einem Markt in Moshi (Tansania) wird gebrauchte Kleidung aus Übersee billig verkauft. Foto: epd-bild/Ulrich Döring

"Dieser Logoverkauf ist rechtlich legal und wird sogar steuerlich begünstigt", sagt Andreas Voget von FairWertung. "Für die Altkleider-Spender ist dadurch überhaupt nicht mehr nachvollziehbar, was mit ihren alten Kleidern geschieht. Sie vertrauen dem guten Namen - zu Unrecht." Die rund 100 im Verband angeschlossenen Vereine haben sich daher verpflichtet, weder Name noch Logo an gewerbliche Sammler zu verkaufen. Sie legen außerdem in ihren Sammelaufrufen offen, was mit der gesammelten Kleidung geschieht.

Denn auch gemeinnützige Einrichtungen verkaufen in der Regel einen Teil ihrer gesammelten Altkleider an Verwertungsunternehmen. "Im Unterschied zu den rein gewerblichen Sammlern investieren sie den Gewinn daraus aber in ihren Vereinszweck wie zum Beispiel in Suppenküchen oder andere soziale Projekte", sagt Verbraucherschützer Heldt. Er rät daher, sich immer über die Sammlung zu informieren, bevor man spendet. "Ein Handzettel ohne Telefonnummer oder nur mit Mobilnummer ist immer verdächtig."

Ist der Handel gut oder schlecht für Afrika?

Und was geschieht mit der Kleidung, die ins Ausland verkauft wird? Nach Angaben des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) geht etwa 40 Prozent der vom DRK-Vertragspartner Efiba gesammelten Ware nach Afrika, weitere 40 Prozent ins europäische Ausland. Das Rote Kreuz gehört zu den großen Altkleidersammlern. Sprecherin Stephanie Krone betont jedoch, das DRK habe keine Übersicht über die Einnahmen aus Altkleidern. "Jeder Kreisverband schließt zu unterschiedlichen Bedingungen Verträge mit Sammel- und Sortierunternehmen und rechnet das eigenständig ab." Einige sortierten auch selbst. "Wir gehen aber davon aus, dass der Erlös der Altkleider für einige Kreisverbände eine wichtige Finanzierungssäule ist."

"Die Leute spenden, auch wenn sie über den Verkauf informiert werden", sagt Voget von FairWertung. "Es geht ja auch um Müllentsorgung." Sein Verband hat am Altkleidergeschäft Beteiligte in Afrika interviewt. Ergebnis: Durch den Altkleiderhandel entstehen vor Ort Jobs im Handel und Zugang zu günstiger Kleidung.

Andere Studien wie die des kanadischen Ökonomen Garth Frazer zeigen, dass durch importierte Altkleidung Arbeitslosigkeit entsteht, weil sie die eigene Produktion behindert. "Wir brauchen eine breite Diskussion über Fragen und Widersprüche, um uns richtig zu verhalten", sagt Voget. Wer sich ganz sicher sein will, wohin seine alte Kleidung geht, solle sie selbst in Kleiderkammern bringen, rät Philip Heldt von der Verbraucherzentrale.

epd