Bayerns Innenminister wegen Trojaner-Einsatz unter Druck

Bayerns Innenminister wegen Trojaner-Einsatz unter Druck
Der Einsatz staatlicher Schnüffelsoftware sorgt weiter für Wirbel: Die FDP hat Zweifel, ob Trojaner überhaupt mit der Verfassung vereinbar sind. In Bayern steht Innenminister Herrmann unter Druck.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) gerät wegen des umstrittenen Einsatzes von Spähsoftware unter Druck. Die Grünen warfen Herrmann am Mittwoch im Münchner Landtag Falschaussagen vor und legten ihm den Rücktritt nahe. So sei die Erklärung des Ministers, dass mit den Trojanern nicht die komplette Festplatte der betroffenen Rechner ausgeforscht werden konnte, laut Chaos Computer Club falsch. "Wenn das so ist - das wird die Aufklärung bringen - dann müssen Sie Ihren Hut nehmen", sagte Grünen-Innenexpertin Susanna Tausendfreund.

FDP stellt Trojaner-Einsatz grundsätzlich in Frage

Die FDP stellt den Einsatz staatlicher Programme zum Ausspähen von Computern grundsätzlich in Frage. Die innenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Gisela Piltz, sagte in Berlin, es stelle sich die Frage, ob die Verwendung von Staatstrojanern nach dem aktuellen Stand der Technik überhaupt zulässig sei. Wenn sich bestätige, dass die Software mehr könne als verfassungsrechtlich erlaubt sei, sei der Einsatz "ohne Wenn und Aber" rechtswidrig gewesen. "Ein weiterer Einsatz dieser Software ist damit in Zukunft undenkbar", sagte sie.

Dagegen hatten Vertreter von Bundessicherheitsbehörden erklärt, sie wollten an Trojanern für die Überwachung von Computern festhalten. Der Bund verwende Software, die genau auf ihren zuvor definierten Zweck ausgerichtet und somit rechtens sei. Das Bundesfinanzministerium erklärte dies am Mittwoch auch für den Zoll. Im Jahr 2008 hatte das Bundesverfassungsgericht in einem grundlegenden Urteil ein Grundrecht auf Schutz des persönlichen Computers geschaffen und hohe Hürden für Online-Durchsuchungen - also die Durchsuchung der Festplatte - gesetzt.

CCC: "Software hinterlässt gravierende Sicherheitlücken"

Nach den Worten des Abteilungsleiters im Bundeskanzleramt, Günter Heiß, sind die Ermittler gehalten, die Spionage-Software in ihren Fähigkeiten auf jenes Maß zu reduzieren, das die Gerichte vorgegeben haben. "Jene Behörden, die die Programme nutzen, müssen die Software für jeden einzelnen Zugriff zuschneiden, dass es im Rahmen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zulässig ist", sagte Heiß den "Stuttgarter Nachrichten" (Mittwoch).

Der Chaos Computer Club (CCC) hatte die Version eines Trojaners zum Abhören von verschlüsselten Telefonaten über das Internet angeprangert. Nach den Erkenntnissen des Clubs kann die Software mehr als sie darf - bis hin zur äußerst sensiblen Online-Durchsuchung - und hinterlässt auf dem Computer des Betroffenen gravierende Sicherheitslücken, die Dritte ausnutzen könnten.

Die kritisierte Software wurde auch in Bayern eingesetzt. Herrmann und Justizministerin Beate Merk (CSU) wiesen die Vorwürfe der Opposition gleichwohl zurück, Herrmann sprach von "maßlosen Unterstellungen". Der Chaos Computer Club (CCC) habe gar nicht behauptet, dass die Installation des bayerischen Trojaners eine Ausforschung der gesamten Festplatte möglich gemacht habe.

Bundestrojaner auch in Bremen eingesetzt

Zusätzlich zu den fünf Fällen von Online-Überwachung durch das LKA habe der Verfassungsschutz dreimal Trojaner eingesetzt, um Islamisten zu überwachen. Alle drei Fälle seien der Kontrollkommission des Landtags vorgelegt und genehmigt worden. Auch in Bremen hatte die Polizei 2007 in einem Fall ein Programm zum Ausspähen von Computern eingesetzt, wie ein Polizeisprecher am Mittwochabend bestätigte. Das Programm sei auf Beschluss des Amtsgerichtes Bremen bei Ermittlungen in einem Strafverfahren wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung genutzt worden. Danach sei es nicht mehr eingesetzt worden. Zunächst hatte es geheißen, die Software sei nicht verwendet worden.

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sicherte Aufklärung zu: "Wir gehen da ran mit voller Offenheit und Transparenz." Der bayerische Datenschutzbeauftragte Thomas Petri kritisierte, dass klare Regeln zur Online-Überwachung sowohl im Strafrecht des Bundes als auch im bayerischen Polizeiaufgabengesetz fehlen. Herrmann forderte eine schnelle rechtliche Klärung durch den Bund.

Leutheusser hält Innenressort für zuständig

In der Diskussion um den Einsatz von Spionagesoftware sieht Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) keinen akuten Handlungsbedarf in ihrem Ressort. "Es geht ja um die Aufklärung: Was für Technik ist im Einsatz?", sagte sie am Rande einer FDP-Regionalkonferenz am Mittwochabend in Regensburg. Dafür sei das Bundesinnenministerium zuständig. Schließlich entwickelten das Bundeskriminalamt oder die Landeskriminalämter diese Technik entweder selbst oder erteilten Softwareunternehmen entsprechende Aufträge. Sie warte ab, bis es eine klare Einschätzung der Lage gebe, sagte die Ministerin. Erst dann könne geprüft werden, ob bestehende Gesetze korrigiert werden müssten.

Jetzt müsse so schnell wie möglich aufgeklärt werden, was die eingesetzte Technik könne und was davon möglicherweise gegen das Grundgesetz verstoße. "Für verfassungswidrige Trojaner gibt es keine Rechtsgrundlage", sagte sie. In einem Interview der "Mittelbayerischen Zeitung" (Donnerstag) verlangte die Ministerin, der Bund müsse den Einsatz der umstrittenen Software gemeinsam mit den Ländern untersuchen. "Gegenstand der Überprüfung muss sein, ob mit Vorsatz eine Software in Auftrag gegeben wurde, die klar den rechtlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts widerspricht", sagte die FDP-Politikerin dem Blatt.

dpa