Als Au-pair-Großeltern in die weite Welt

Als Au-pair-Großeltern in die weite Welt
Die eigenen Kinder sind aus dem Haus, der Ruhestand erreicht. Endlich Zeit, fremde Länder zu bereisen. Und Kinder zu betreuen: "Madame Grand-Mère" schickt Ruheständler als Au-pair-Großeltern in die Welt.
04.08.2011
Von Marielies Stegbauer

Einige Monate in einer Gastfamilie im Ausland verbringen, deren Kinder betreuen und dafür das Leben in einem anderen Land kennenlernen - dieses Angebot klingt nicht nur für 19-jährige Schulabgängerinnen reizvoll. So dachte Kristin Emmerinck aus Prien am Chiemsee und entwarf ein Au-pair-Angebot für die Generation 50 Plus.

Ihr Konzept "Madame Grand-Mère" soll im Ausland lebende deutsche Familien und reiselustige Wunsch-Großeltern zusammenzubringen. "Reife Erwachsene, die eigene Kinder großgezogen oder ein Berufsleben abgeschlossen haben, können ihre kulturellen Interessen mit Unterstützung der jungen Familien vertiefen", sagt Emmerinck. Im Herbst möchte sie die erste Au-pair-Oma losschicken.

"Mein tollstes Abenteuer"

Die Gründerin von "Madame Grand-Mère" hat mit ihrer Familie 30 Jahre lang im Ausland gelebt und war selbst als "Au-pair-Oma" bei einer Pariser Familie. "Diese Monate in Frankreich waren mein tollstes Abenteuer", sagt Emmerinck. Ob ihre Großeltern-Vermittlung ein Renner wird, muss sich erst zeigen. Ausreichend interessierte Familien fehlen noch. Unter den ersten Bewerbern als Au-pair-Großeltern sind Bettina Stibal (54) aus Freiburg im Breisgau und Jürgen Waldenburger (64) aus Berlin.

Stibal entschied sich, ein Sabbatjahr zu nehmen. Nach ihrer Scheidung will sie Abstand zum Privaten gewinnen und auch ihre Arbeit als Lehrerin ein wenig hinter sich lassen. Im Internet fand sie "Madame Grand-Mère". "Der Gedanke hat mich fasziniert, Familienleben noch mal von Innen kennenzulernen", sagt die Mutter dreier erwachsener Kinder. Jürgen Waldenburger ist bisher der Hahn im Korb. Emmerinck möchte auch Au-pair-Großväter vermitteln. Waldenburger, tätig im öffentlichen Dienst in einem Ministerium, geht im April 2012 in Pension. Der geschiedene Vater zweier erwachsener Kinder würde dann gerne mit Kindern arbeiten. "Und noch ein Stück von der Welt sehen", sagt er.

Nach dem Abitur gab es für den aus der ehemaligen DDR stammenden Jürgen Waldenburger keine Möglichkeit, ins Ausland zu gehen. Bettina Stibal dagegen sammelte schon als junge Frau Au-pair-Erfahrung im englischen Brighton. Auch ihre Kinder waren nach der Schule im Ausland und haben ihr den Mut gegeben, diesen Schritt zu tun. "Ich habe gedacht, wenn die das können, dann kann ich das auch", erzählt die 54-Jährige.

Söhne skeptisch, Tochter begeistert

Stibals Söhne reagierten skeptisch auf die Pläne der Mutter, die Tochter war begeistert. Auch im Freundeskreis erlebte sie verschiedene Reaktionen, aber kein Unverständnis. "Ich glaube, der Impuls, zu gehen und etwas ganz Neues anzufangen, ist tief im Menschen drin. Aber viele, und dazu habe ich jahrzehntelang auch gehört, trauen sich nicht, diesen Schritt zu tun."

Waldenburger und Stibal freuen sich darauf, im fremden Land ihre Sprachkenntnisse aufzufrischen. "Ich würde gerne wieder mit Englisch anfangen", sagt Stibal. Ihr Wunsch-Reiseziel wäre Kanada. Waldenburger lernte Französisch in der Schule. "Ich bin aber auch nicht abgeneigt, andere Länder kennenzulernen", sagt er.

Der Familienanschluss soll den Ersatz-Großeltern Mut machen, Reisepläne zu verwirklichen. Waldenburger hält es für selbstverständlich, dass er die Regeln der Gastfamilie annimmt. Stibal sieht das Eingliedern in eine Familie als Herausforderung - ohne Gewähr, dass es auch klappt. Dabei sieht sie es als Vorteil, kein 19-jähriges Au-pair-Mädchen mehr zu sein. Für Waldenburger ist sein Erfahrungsschatz im Umgang mit jungen Menschen ein Trumpf. "Und die gewisse Toleranz, die man sich im Alter angeeignet hat."

dpa