Passive Mitgliedschaft

Elisa Knödler

Liebe Vertreter:innen der evangelischen Kirche,
ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich hier an der richtigen Adresse bin, dennoch versuche ich mein Anliegen anzubringen – ggf. können Sie mich dann an die zuständige Stelle verweisen.
Ich bin seit meiner Geburt Mitglieder der evangelischen Kirche und habe persönlich auch keine schlechten Erfahrungen mit ihr gemacht. Ich bin sehr christlich aber auch tolerant erzogen worden und lebe diesen Glauben auch in meinem Alltag.
In den letzten Monaten, auch durch Gespräche im Freundeskreis, stelle ich mir dennoch die Frage, warum ich ungefragt vor Erhalt meines Lohnes einen enormen Teil an eine Institution zahle, von der ich nicht weiß, wofür sie mein Geld einsetzt.
Ich nehme in München, wo ich momentan lebe, keine direkten "Leistungen"t; meiner zugeteilten Gemeinde in Anspruch und würde mein Geld deshalb lieber an meine Heimatgemeinde spenden, in der ich gut verwurzelt bin. All dies ist mit der Verwebung von Staat und Kirche - die ich sehr problematisch finde - nicht möglich.
Ich bin bereit über meine ohnehin abgeführten Solidaritätsbeiträge, Geld an Bedürftige der Gesellschaft zu spenden, allerdings würde ich den/die Empfänger:in gerne selbst bestimmen.
Ist dies irgendwie möglich? Oder ist es möglich, eine passive Mitgliedschaft in der evangelischen Kirche zu haben und den Rest bewusst in für mich sinnvolle Projekte zu spenden, von denen ich auch weiß, dass das Geld ankommt? Oder gibt es zumindest die Möglichkeit, Einsicht über den Einsatz meines sehr hohen Jahresbeitrags zu erhalten?
Anderenfalls werde ich meinen Gedanken, aus der Kirche auszutreten, im kommenden Jahr schweren Herzens umsetzen.

Ich freue mich über eine Rückmeldung
Viele Grüße
Elisa Knödler

Liebe Frau Knödler,

Danke für Ihre Frage, ob Sie hier richtig sind? Ich kann mir vorstellen, dass eine Vertreter*in Ihrer Gemeinde gerne ein Gespräch mit Ihnen führen würde. Doch Ihre Frage hilft mir, mich auf solche Gespräche vorzubereiten. Ich weiß, dass immer wieder an eine Art „Zweitregister“ gedacht wird. Das kennt die Seefahrt für Schiffe, die im Ausland zugelassen werden, aber dann doch zu deutschen Reedereien gehören. Das Modell spart Geld und ist durchaus üblich. Mit Blick auf eine Kirchenmitgliedschaft ist das ähnlich überlegt worden: Eine Art aktive Anwartschaft für Menschen, die sich unserer Kirche eng verbunden wissen. Doch es stellt sich die Gerechtigkeitsfrage. Kirchenmitgliedschaft „light“ oder „passive Mitgliedschaft“ im Sinne einer Anwartschaft endet mit einem „ist das gerecht?“ Denn Kirchensteuer entrichten wir nicht für konkrete Leistungen, die wir Ihnen anbieten oder unmittelbar in Anspruch nehmen können. Kirchensteuer gibt den Kirchen im Lande eine wirtschaftliche und moralische Existenzgrundlage. Ihre Mitgliedschaft ermöglicht es der Kirche, sich zu äußern und als relevante Kraft aufzutreten. So stärkt Ihre Mitgliedschaft in München auch die Stimme Ihrer Kirche in Ihrer Heimat. Sie stärken auch unsere Stimme in meiner Kirchengemeinde.

Überall sprechen die Kirchengemeinden für die Rechte der Schwächeren, stützen die Menschen bei der Suche nach einem Sinn und leisten ihre kulturelle Arbeit, wenn Kirchen, Orgeln, Musik und der Pfarrdienst vorgehalten werden. Dass Sie einzelne Leistungen in Anspruch nehmen können, Taufen, Trauungen, Beerdigungen „bestellen“, Rat und Tat bei seelischen Nöten erhalten, ist nur Teil eines weit gefassten Auftrags, den die Kirche wahrnimmt. Sie bestimmen mit Ihrer Kirchensteuer über all diese Arbeit und sorgen zugleich für den Erhalt der kirchlichen Arbeit direkt vor Ihrer Haustür und in Ihrem früheren Zuhause.

Vielleicht werden Sie in München auch ein kirchliches Zuhause finden, wie früher in der Heimat. Sicherlich treffen Sie auf engagierte Menschen und Pfarrer*innen, die mit viel Herzblut ihren Dienst tun.

Dass der Staat die Kirchensteuer über seine Finanzämter einzieht, erspart den Kirchen erheblichen bürokratischen Aufwand. Für diese Dienstleistung müssen die Kirchen den Staat allerdings bezahlen – mit rund drei Prozent des Kirchensteueraufkommens. Somit sind Staat und Kirche an dieser Stelle nur durch die Dienstleistung der Finanzämter verwoben. Der Einzug durch die Finanzämter steht übrigens allen steuererhebenden Religionsgemeinschaften offen. Und: Die Kirchensteuer ist sozial gerecht, weil sie – an die Lohn- und Einkommensteuer gekoppelt - sich an der finanziellen Leistungsfähigkeit der Mitglieder orientiert.

Viele Kirchengemeinden haben Fördervereine ins Leben gerufen. Vielfach spenden einzelne Spender*innen in diese Vereine und sehen das als ihre persönliche Mitgliedschaft an. Für mich, ich bin Pastor in einem östlichen Bundesland, ist das kein Weg, Finanzmittel zu beschaffen, denn uns fehlt noch immer die Wirtschaftskraft. Wir leben auch vom Finanzausgleich, der innerhalb des deutschen Protestantismus solidarisch verabredet ist.

Ob ich Sie informieren konnte? Ihre Kirchengemeinde wird sich über einen Kontakt mit Ihnen freuen und um Ihre Mitgliedschaft werben.

Herzliche Grüße, Ihr Pastor Henning Kiene

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