Vom Konservativismus zum Rechtspopulismus? Zur Familienpolitischen Diskussion der CDU

Vom Konservativismus zum Rechtspopulismus? Zur Familienpolitischen Diskussion der CDU
Foto: Matthias Albrecht
Papier des Berliner Kreis zu deren Familienpolitischen Forderungen
In Kürze berät die CDU über ihr Bundestagswahlprogramm. Die Vorschläge, die der konservative Berliner Kreis dabei zur Familienpolitik einbringt, bereiten Anlass zur Sorge. Driftet die Union ins Rechtspopulistische ab? Ein Kommentar.

In weniger als 365 Tagen findet die nächste Bundestagswahl statt. Die Parteien stecken bereits ihren inhaltlichen Kurs ab, auch in der Familien-, Geschlechter- und Sexualitätspolitik. Die Christlich Demokratische Union (CDU) berät Anfang Dezember über diese und andere Fragen auf ihrem Parteitag. Der jüngst vom CDU-Bundesvorstand vorgelegte programmatische Grundsatzantrag äußert sich kaum zur Gleichstellung homosexuell Liebender. Was an dem Papier jedoch deutlich wird ist, wie bereits queer.de konstatiert, dass die Christdemokrat_innen den von Jens Spahn eingeschlagenen Kurs forcieren, die Rechte von Lesben und Schwulen besonders dann verbal zu verteidigen, wenn die Partei damit gegen Menschen mit Migrationshintergrund polarisieren kann. So wendet sich der Programmentwurf im Kapitel "Flüchtlinge und Integration" explizit gegen die Diskriminierung von Homosexuellen und stellt klar, dass die Gesetze der Bundesrepublik über "Ehrenkodex, Stammes- oder Familienregeln und der Scharia" stehen. Um dieser Formulierung den Geschmack des Populismus zu nehmen, müsste sich die CDU nicht nur partiell, sondern allgemein gegen Diskriminierung einsetzen. Dies allerdings ist nach wie vor nicht in Sicht. So hält die Partei wohl am Ehe- und allgemeinen Adoptionsverbot für gleichgeschlechtliche Paare fest.

Während der CDU-Bundesvorstand durch das weitgehende Nicht-Erwähnen von homosexuell Liebenden in seinem Grundsatzantrag auffällt, findet der Berliner Kreis, eine Gruppe von CDU-Abgeordneten, deren Ziel es ist, das konservative Profil der Union zu schärfen, in einem Forderungspapier zur Familienpolitik sehr deutliche Worte.

Selbstbestimmte, starke Eltern, starke Kinder, Freiheit für "Familien" und einen Staat, der diese Werte gewährleistet, das will der Berliner Kreis voranbringen. Zur Erreichung dieser Ziele wird beispielweise gefordert, die Anrechnung von Erziehungszeiten, die Unterstützung bei der Eigenheimförderung und die Situation von Großfamilien zu verbessern. Das klingt in der Tat gut. Doch wer glaubt, diese und andere Maßnahmen sollten allen Familien zukommen, der irrt. So heißt es in der Präambel des Forderungspapieres: Ehe sei "einzig und allein die Zweierverbindung von Mann und Frau". Dass es auch andere "Formen von Familie und Partnerschaft gibt", will die Abgeordnetengruppe zwar anerkennen. Doch bleibt dies ein Lippenbekenntnis, da die Ehe in ihrer gegenwärtigen Form "nicht verändert werden" soll. Im Klartext bedeutet dies, dass die heteronormative Familie aus verheirateten, monogamen Eltern also Vater, Mutter und Kind(ern) der Förderung wert ist, während alle anderen Formen als nachrangig gelten. Diese ideologische Setzung durchzieht das ganze Papier. Das wird noch deutlicher, wenn mensch sieht, wie im Folgenden versucht wird, alle Bemühungen zu diskreditieren, die sich gegen Diskriminierung Nicht-Heterosexueller und deren Kinder, sowie gegen sexistisch motivierte Diskriminierung wenden.

Die Abgeordneten richten sich gegen das EU-Programm zur Gleichstellung von Frauen und Männern, Gender Mainstreaming, und fordern, dieses "müsse von den Lehr- und Ausbildungsplänen verschwinden". Eine Begründung hierfür liefern die Autor_innen nicht. Kritisiert wird weiter die "Genderideologie" und eine "[s]taatlich geförderte Frühsexualisierung von Kindern". Eine Definition, was diese Termini bedeuten sollen, bleibt die Abgeordnetengruppe auch hier schuldig. Eine inhaltliche Bestimmung dieser Begriffe ist wohl auch gar nicht beabsichtigt. Das Ziel von Worten wie "Genderideologie" oder "Frühsexualisierung" ist es vielmehr, durch ihre Unbestimmtheit in populistischer Weise Ängste zu schüren. Ängste, die dafür benutzt werden, die eigenen politischen Ziele, also in diesem Fall, die Verteidigung der Vormachtstellung der heteronormativen Familie, durchzusetzen. Dabei findet eine besorgniserregende Umkehr statt. Die Instrumente, die die heteronormative Ideologie infrage stellen, wie Gender-Mainstreaming, wie Genderforschung, wie die schulische Aufklärung über verschiedene Familienformen, werden als ideologisch verbrämt. Systematisch werden sie zu einer essentiellen Gefahr für die "große Mehrheit der Bevölkerung" heraufbeschworen. Errungenschaften, die soziale Ungleichheiten beseitigen und damit gesellschaftlichen Frieden bringen, werden in Misskredit gebracht, um dadurch die Bevölkerung zu spalten. Die CDU-Parlamentarier_innen gleichen sich darin in Vokabular und Strategie der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) an. Genau das macht das Papier des Berliner Kreises so gefährlich.

Am Ende warnt das Papier gar vor einer "Diskriminierung der heterosexuellen Mehrheitsbevölkerung". Dieser Satz offenbart endgültig, worum es den Autor_innen wirklich geht. Zu Recht fragt mensch sich, was mit "Hetero-Diskriminierung" (so nennt es die Berliner Zeitung pointiert) gemeint sein soll. Eine Diskriminierung ist eine systematische Ungleichbehandlung auf Grund von Merkmalen wie der zugeschriebenen sexuellen Identität. Eine Ungleichbehandlung von Heterosexualität ist jedoch seitens der Bewegungen des Feminismus, der Gender Studies oder etwa der Queers nie beabsichtigt worden. Diese gesellschaftlichen Kräfte, deren Forderungen inzwischen auch in weiten Teilen der Bevölkerung geteilt werden, zielen ganz im Gegenteil auf eine Gleichbehandlung von Nicht-Heterosexualität. Und es ist genau diese Gleichbehandlung, die der Berliner Kreis abzuwehren versucht. Verschiedene sexuelle Identitäten gleichwertig nebeneinander zu stellen, in symbolischen Repräsentationen, in öffentlichen Institutionen, wie in der Schule, in der Gesetzgebung, wie der Familiengesetzgebung, kann gar nicht zu einer Diskriminierung von Menschen, die sich als heterosexuell definieren, führen. Ein auch nur ansatzweise überzeugender Beweis für die gegensätzliche Behauptung ist nie erbracht worden. Der Berliner Kreis wendet  die Intention des Begriffs Diskriminierung ins Gegenteil. Zeigt der Ausdruck eigentlich eine Ungleichbehandlung an und kritisiert diese, so benutzt der Berliner Kreis das Wort, um eine Gleichbehandlung abzuwehren und die Hegemonie der Mehrheit über eine Minderheit zu stabilisieren. Der wahre Kampf, den die AfD, nach dem neuesten Parteitagsbeschlüssen nun wohl auch verschärft die CSU und wenn es nach dem Berliner Kreis geht bald auch die CDU führt, gilt der Verteidigung der heterosexuellen Hegemonie. Darum soll die Ungleichheit hetero- und nicht-heterosexueller Familien beibehalten werden. Und das ist nur durch Diskriminierung zu erreichen. Deren Fortsetzung will das Papier legitimieren.

Auch wenn die Chance, dass die CDU auf ihrem Parteitag Beschlüsse fasst, die die Situation von Nicht-Heterosexuellen und deren Familien verbessert, gering ist, so bleibt doch zu hoffen, dass die Partei sich letztlich nicht entscheidet, jene radikalisierte, spalterische und populistische Sprache, die der Berliner Kreis nun auch bei den Christdemokrat_innen salonfähig machen will, in ihr Wahlprogramm zu übernehmen. Gerade dabei könnte paradoxer Weise ein Blick in das Forderungspapier des Berliner Kreises helfen. Dort wird ein Staat gefordert, der von "ideologischer Bevormundung" absieht und nicht "in die Schlafzimmer und Köpfe der Menschen regiert", sondern den Raum für die freie Entfaltung von Familien schafft. Gott stärke die CDU dabei, genau diese politischen Ziele zum Wohle des ganzen Volkes umzusetzen.

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