Datum für Abzug aus Afghanistan "unverantwortlich"

Datum für Abzug aus Afghanistan "unverantwortlich"
Die Situation in Afghanistan erfordert nach Worten von Verteidigungs-Staatssekretär Thomas Kossendey (CDU) von Deutschland "gesellschaftliches Stehvermögen". Auch nach dem Tod von drei deutschen und sechs afghanischen Soldaten am Karfreitag wäre es heute unverantwortlich, ein Abzugsdatum für die Bundeswehr zu nennen, warnte Kossendey am Mittwoch zu Beginn einer Fachkonferenz in der evangelischen Akademie im niedersächsisches Loccum. Bis Freitag diskutieren dort Vertreter aus Politik, Bundeswehr, Kirchen und Friedensorganisationen über die deutsche Afghanistan-Strategie.

"Es gibt weder einen bequemen noch einen ungefährlichen Weg zur Stabilisierung von Afghanistan", räumte Kossendey ein. Die Verantwortung für die Situation im Land müsse nach und nach an afghanische Soldaten und Polizisten übergeben werden, die nun verstärkt ausgebildet werden müssten. Für diese im Verlauf der Londoner Afghanistan-Konferenz Ende Januar beschlossenen neuen Strategie der Übergabe in Verantwortung hätten die Deutschen "noch viel zu tun".

Balance zwischen Gefährdung und Kontaktmöglichkeiten finden

Die Strategie bedeute auch, dass deutsche und afghanische Soldaten ab Sommer gemeinsam in die Dörfer gingen und dort auch blieben, ergänzte Kossendey. Das könne eine Gefährdung der Soldaten bedeuten, gebe aber auch die Chance, Kontakte zur Bevölkerung aufzunehmen und Anschläge zu verhindern. Der Staatssekretär räumte ein, dass die Bundeswehr zum Teil mit veraltetem Gerät ausgerüstet sei. Er wies allerdings den Vorschlag des designierten Wehrbeauftragten des Bundestages, Hellmut Königshaus (FDP), zurück, der den Einsatz von Leopard-2-Kampfpanzern in Afghanistan gefordert hatte.

Königshaus hatte nach dem Tod der deutschen Soldaten dem Berliner "Tagesspiegel" gesagt: "Wer in das Kanonenrohr eines Leopard 2 schaut, überlegt sich zwei Mal, ob er eine deutsche Patrouille angreift." Kossendey: "Das ist sehr abstrus - Leopard 2 heißt Besatzung." Auch der Friedensbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland, Renke Brahms, kritisierte den Vorschlag. Eine Intensivierung militärischer Mittel beschädige das Vertrauen der Bevölkerung. In der deutschen und der internationalen Afghanistan-Strategie müsse es eine Grundhaltung geben für einen Vorrang ziviler Aufbauhilfen.

Kein Abzug, keine Besetzung: Wo ist der Mittelweg?

Zwischen zivilen, militärischen und afghanischen Regierungs-Kräften sei ein Dreiklang nötig, um die Situation zu verbessern, sagte Rüdiger König vom Auswärtigen Amt. "Da ist noch mehr Abstimmung nötig", betonte der Leiter des Sonderstabs Afghanistan-Pakistan. Der gebürtige Deutsch-Afghane und ZDF-Journalist Abdul-Ahmad Rashid warnte vor einem Abzug der internationalen Truppen, aber auch vor einer Besatzung des Landes: "Afghanen lieben ihr Land. Aber mehr noch lieben sie ihre Freiheit."

Die internationale Staatengemeinschaft hat Ende Januar in London einen Strategiewechsel in Afghanistan vereinbart. Der Weg dorthin sieht die Aufstockung und Ausbildung afghanischer Militär- und Polizeikräfte sowie verstärkte Anstrengungen im zivilen Bereich vor. Hauptziele sind die schrittweise Übergabe der Verantwortung in afghanische Hände und ein Versöhnungsprozess mit den aufständischen Taliban. In Loccum soll darüber diskutiert werden, wie verstärkt zivile Aufbauhilfen geleistet werden könnten.

epd