Politische Lösung der Unruhen in Iran wird immer schwieriger

Politische Lösung der Unruhen in Iran wird immer schwieriger
Nach den blutigen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Anti-Regierungsdemonstranten im Iran warnen Beobachter jetzt vor einer Ausweitung und Radikalisierung der Proteste. Der Einsatz von Sicherheitskräften könne zwar kurzfristig Erfolge bringen, langfristig habe sich aber gezeigt, dass sich die Demonstranten nicht nur immer wieder zurückmeldeten, sondern sich gegen Polizeigewalt auch wehrten.
28.12.2009
Von Farshid Motahari

Viele Beobachter rechnen damit, dass der Tod von mindestens acht Demonstranten während des Aschura-Festes dazu führen wird, dass sich die Protestwelle weiter ausweitet. "Sogar der Schah hat Aschura respektiert und keine Gewalt eingesetzt", sagte der moderate Kleriker Mehdi Karrubi, der bei der Präsidentenwahl im vergangenen Sommer gegen den erzkonservativen Amtsinhaber Mahmud Ahmadinedschad angetreten war. Karrubi warf der Regierung vor, nicht einmal auf eine religiöse Feier mehr Rücksicht zu nehmen.

Der iranische Sender Press TV bestätigte am Montag, dass bei den Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten am Wochenende acht Menschen getötet wurden. Der Sender berief sich auf Angaben des Nationalen Sicherheitsrats. Auf der Webseite des Oppositionsführers Hussein Mussawi hieß es nach Angaben der BBC, dass sein Neffe Ali Mussawi am Sonntag durch einen Schuss in den Rücken starb.

Prominente Iraner schließen sich dem Widerstand an

Laut einem Polizeibericht wurden am Wochenende auch ein Dutzend Polizisten von den Demonstranten verletzt. Bilder von wütenden Demonstranten, die auf einen Polizisten einschlagen und Polizeiautos in Brand setzen, kursieren derzeit auf dem Internet, ebenso wie Videos der Aktivistengruppe "Unity4Iran", auf denen verletzte Demonstranten zu sehen sind. "Das sind in der Tat neue Dimensionen mit sehr gefährlichen Konsequenzen", sagte ein Politologe in Teheran.

Auch die Verhaftungen von Dissidenten, darunter Mitarbeiter von Ex-Präsident Mohammed Chatami, und hohe Gefängnisstrafen gegen sie haben der Regierung bisher nicht viel gebracht. "Ehemalige Regierungsmitglieder wie Dissidenten zu behandeln und bestrafen, macht sie in den Augen der Menschen nur zu Helden", meinte ein Reformaktivist in Teheran. "Unter Dissidenten hat man bis vor kurzem Monarchisten und weltliche Liberale verstanden, jetzt sind ein Großajatollah, zwei ehemalige Präsidenten, ein Minister- und ein Parlamentspräsident unsere Topdissidenten", so der Aktivist weiter.

Das Oppositionsquartett wird derzeit von den beiden Ex-Präsidenten Chatami und Akbar Haschemi Rafsandschani, dem früheren Ministerpräsidenten Mir Hussein Mussawi und Parlamentspräsident Karrubi geführt. Religiöser Mentor der Opposition war Großajatollah Hussein Ali Montaseri, der vorige Woche im Alter von 87 starb.

Muss Achmadinedschad zurücktreten?

Nicht nur Oppositionsgruppen sehen Ahmadinedschad und seine Regierung mittlerweile im Zugzwang. Auch konservative Kreise fordern eine politische Lösung. "Das ist leichter gesagt als getan, denn diese Krise könnte nur mit einem Rücktritt Ahmadinedschads beendet werden", kommentierte ein iranischer Journalist in Teheran. Aber Ahmadinedschad denkt anscheinend nicht daran: "Die Opposition und deren Proteste haben keinen Einfluss auf die Einheit des Landes - die Regierung ist heute zehnmal stärker als vor einem Jahr", so der Präsident. Das sah jedoch am Aschura-Tag am Sonntag anders aus: Tausende seiner Gegner waren auf den Straßen, riefen "Tod dem Diktator" und Autofahrer unterstützten sie mit einem ohrenbetäubenden Hupkonzert.

Obwohl die ausländische Presse von den Protesten nicht direkt berichten darf und die staatlichen Medien mehr für Propagandazwecke benutzt werden, hat Mussawis "Grüne Bewegung" mehrere Webseiten als Alternative gestartet. "Bei den Grünen muss jeder ein Nachrichtenmedium sein", sagte Sahra Rahnavard, die Ehefrau Mussawis. Dementsprechend werden Berichte von Augenzeugen von diesen Webseiten ausgewertet und als Nachricht verwendet. Auch Amateurbilder und Videos, die die Demonstranten hauptsächlich mit dem Handy aufnehmen, werden verwendet. Zwar sind diese Webseiten vom Staat geblockt, doch lassen sich die Sperren immer wieder umgehen.

"Ich kann zwar diese Berichte nicht verifizieren, sie stimmen auch nicht immer, aber was anderes habe ich ja auch nicht", erklärte ein ausländischer Korrespondent in Teheran dazu. "Wenn man uns nicht vernünftig arbeiten lässt, dann müssen wir die Oppositionsberichte benutzen und warten, bis sie von offiziellen Quellen entweder bestätigt oder dementiert werden", fügt er hinzu.

Scharfe Kritik aus Deutschland, Europa und den USA

Am Wochenende wurden wieder über 300 Demonstranten festgenommen. Das staatliche Fernsehen berichtet von Elementen, die von den Feinden des Landes – dem Westen – benutzt würden, um das islamische Establishment zu stürzen. "Dagegen sollte die Regierung konsequent durchgreifen und diese Feinde des Islams ausschalten", sagte ein Kommentator. Die staatliche Nachrichtenagentur IRNA bezeichnete Chatami, Karrubi und Mussawi als "Dreieck des Aufruhrs".

Schon lange ist die Rede von rechtlichen Schritten gegen die Oppositionsführer, die Ahmadinedschad "ausländische Agenten" nannte. IRNA sprach mit Blick auf die Proteste vom "Aufstand der Fremden". "Diese drei sollen aufpassen, dass sie nicht bald in die Mülltonne der Geschichte landen", sagte Ali Resa Dschabari, ein führender General der Revolutionsgarden. Beobachter schließen eine Verhaftung der Oppositionsführer daher nicht mehr aus, glauben jedoch, dass dies die Proteste nur weiter anfeuern würde.

Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte das gewaltsame Vorgehen der iranischen Sicherheitskräfte "inakzeptabel". Den Angehörigen der Opfer gelte ihre Anteilnahme, erklärte sie in Berlin. "Insbesondere darf das Recht auf freie Meinungsäußerung durch friedliche Demonstrationen nicht eingeschränkt oder durch Gewalt unterdrückt werden", betonte Merkel. Außenminister Guido Westerwelle forderte Teheran auf, "alles zu tun, um eine weitere Zuspitzung der Lage zu verhindern und die Gewalt zu beenden".

"Durch Angst und Gewalt zu regieren ist niemals gerecht"

In einer Erklärung der schwedischen EU-Ratspräsidentschaft hieß es: "Brutale Machtanwendung und die willkürliche Festnahme von Demonstranten stellen grobe Verletzungen fundamentaler Menschenrechte dar." Sie Demonstranten würden versuchten, ihr Recht auf freie Meinungsäußerung und auf friedliche Versammlungen auszuüben. Die USA hatten zuvor die tödliche Gewalt bei den Protesten im Iran aufs Schärfste kritisiert. Washington verurteile "die gewaltsame und ungerechte Unterdrückung von Zivilisten im Iran, die ihre Grundrechte ausüben", sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, Mike Hammer. "Durch Angst und Gewalt zu regieren ist niemals gerecht."

Auch Präsident Obama meldete sich aus seinem Urlaub auf Hawaii: Unschuldige iranische Bürger würden gewaltsam unterdrückt, sagte er von dort: "Die Entscheidung der iranischen Führung, durch Angst und Tyrannei zu herrschen, wird nicht dazu führen, die Hoffnungen der Bürger zu vertreiben."

dpa