Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans im Glaubenskurs

Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans im Glaubenskurs
Ehrgeizige Ziele hat sich die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) in ihrem Zukunftspapier "Kirche der Freiheit" gesetzt: Trotz schrumpfender Bevölkerung und einem hohen Stand an Austritten (131.000 im Jahr 2007) will sie die Zahl der Mitglieder in Deutschland stabil halten. Zu schaffen ist das nur, wenn sie auch Erwachsene für den christlichen Glauben gewinnt.
19.10.2009
Von Marcus Mockler

Dass Menschen jenseits des Kindesalters mit der christlichen Botschaft erreicht werden können, belegt eine Studie der Universität Greifswald, die am Montag in Stuttgart vorgestellt wurde. Grundlage der Untersuchung ist die Befragung von 462 "Konvertiten": Menschen, die durch den Glauben eine Lebenswende erlebt haben oder ihn neu für sich entdeckt haben.

Die zum Christentum Bekehrten weisen einen überdurchschnittlichen Bildungsgrad auf: Die Hälfte hat Abitur, nur zwölf Prozent sind Hauptschulabgänger. Jeder Dritte ist zwischen 36 und 45 Jahre alt. Das stelle die Kirche vor die Frage, wie sie auch bildungsferne Schichten erreichen könne, so die Studienautoren.

Zuwendung zum Glauben auch ohne Lebenskrise

Die Vorstellung, jemand brauche erst eine dramatische Lebenskrise, um sich dem Glauben zuzuwenden, wird durch die Studie nicht erhärtet. Not lehrt nur eine Minderheit Beten - zwei Drittel haben sich ohne tiefe Krise der Religion zugewandt. Auch Menschen, die ohne religiöse Sozialisation - also ohne Tischgebet, Konfirmanden- und Religionsunterricht - aufgewachsen sind, können zum christlichen Glauben finden, lautet ein Ergebnis der Untersuchung.

Die Autoren der Studie unter der Leitung von Michael Herbst, Direktor des Instituts zur Erforschung von Evangelisation und Gemeindeentwicklung an der Universität Greifswald, fordern die Kirchen und Pfarrer stark heraus. Das traditionelle volkskirchliche Denken tut sich nämlich schwer, Menschen für den Glauben zu gewinnen. Mission gilt als historisch belasteter Begriff; der Respekt gebiete es, Entscheidungen der Menschen für oder gegen den Glauben nicht anzutasten.

Forderung: Ausbildung zu "konversiver Seelsorge"

Die Studie stellt genau das infrage. Die Lebensgeschichte von "Konvertiten" zeige: Man dürfe Menschen nicht "unterstellen, sie seien schon da, wo sie hingehören und bleiben wollen". Als Konsequenz fordern die Autoren, dass Pfarrer und Ehrenamtliche zu "konversiver Seelsorge" ausgebildet werden. Im Klartext: Kirchliche Mitarbeiter sollen viel stärker als bisher distanzierte Menschen dazu einladen, sich im Alltag mit dem Evangelium zu beschäftigen und praktische Glaubensschritte zu gehen.

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Als besonders geeignet erweisen sich dabei der Studie zufolge Glaubenskurse. Anders als in der Vergangenheit sind diese Kurse nicht in erster Linie dazu gedacht, biblisches Wissen zu vermitteln. Vielmehr bildeten die Lebensfragen der Kursteilnehmer Anknüpfungspunkte, die gemeinsam diskutiert und auf die biblische Botschaft bezogen werden. Hier sehen die Wissenschaftler besondere Chancen, weil Glaubenskurse bislang nur in einer Minderheit der Kirchengemeinden angeboten werden.

Auch Rituale und Pfarrer sind wichtig

Auch die Angebote von Ritualen, insbesondere Gebet und Abendmahlsfeiern, sind offenbar für viele während der Einstiegsphase in den christlichen Glauben besonders hilfreich. Eine weiterer Befund: Während der Impuls, sich mit dem Glauben zu beschäftigen, zumeist vom Freundes- und Verwandtenkreis ausgeht, spielen Pfarrer im weiteren Verlauf der Konversionsphase eine zunehmend wichtige Rolle.

Vor genau zehn Jahren hatte sich die Synode der EKD in Leipzig verpflichtet, den christlichen Missionsauftrag in der Kirche wieder an die erste Stelle zu setzen. Die Greifswalder Studie bietet nun einigen Stoff, dieser Absicht konkrete Schritte folgen zu lassen. Mit einem schnellen Erfolg ist allerdings nicht zu rechnen: Der Studie zufolge dauert es durchschnittlich zwölf Jahre von einem ersten persönlichen Kontakt mit Christen bis zu einer Hinwendung zum Glauben.

epd