"Es hätte genauso gut mich treffen können"

Einwohner nach einem Raketeneinschlag bei Miranshah, Pakistan, nahe der afganischen Grenze
Foto: REUTERS/Staff Photographer
Einwohner nach einem Raketeneinschlag bei Miranshah, Pakistan, nahe der afganischen Grenze
"Es hätte genauso gut mich treffen können"
Auf www.dronememorial.com gedenkt der Journalist Emran Feroz der Opfer des Drohnenkrieges in Pakistan und Afghanistan. Die Website besteht lediglich aus einer weißen Seite und einer scheinbar endlosen Namensliste.

"Bibi Mamana, 67, Waziristan" - So lautet der letzte Eintrag auf Ihrer Website. Welches Schicksal verbirgt sich dahinter?

###mehr-personen### Emran Feroz: Bibi Mamana lebte im Norden Pakistans. Sie war Hebamme. Viel mehr ist über sie nicht bekannt, umso mehr über ihren Tod.

Wie starb sie?

Feroz: Nach dem, was man weiß, war sie gerade auf einem Feld mit ihren Enkelkindern unterwegs. Ihre achtjährige Enkeltochter Nabeela berichtete später, dass plötzlich zwei Raketen vom Himmel fielen und in der Nähe ihrer Großmutter einschlugen. Ein paar Minuten später explodierte eine weitere Rakete. Sie und ein weiterer Enkel wurden verletzt, Bibi Mamana in Stücke gerissen. Ihr Sohn sammelte später die Körperteile ein. Terroristen gab es nirgends.

Auf Ihrer Website stehen hunderte Namen. Sind die meisten Angriffe amerikanischer Drohnen so gut dokumentiert?

Feroz: Nein. Der Fall war eine Ausnahme: Al-Dschasira wurde auf ihn aufmerksam. Es gibt tausende Opfer, nur die wenigsten sind namentlich bekannt. Aus Afghanistan habe ich zum Beispiel erst einen einzigen Namen. Und das war eher ein Zufall: Der Verwandte des Drohnenopfers ist ein Bekannter von mir. Es gibt Gedenkstätten für alles Mögliche, doch für Drohnenopfer gibt es keine einzige. Die Website soll zumindest die Namen der Opfer öffentlich machen.

###mehr-artikel### Ihre Eltern stammen aus Afghanistan. Was bedeuten die Drohnenangriffe für die Menschen dort?

Feroz: Die Menschen haben ständig Angst, dass etwas vom Himmel kommt und sie tötet. Jemand hat einmal gesagt: "Drohnen sind wie Todesengel. Nur sie wissen, wann und wo sie zuschlagen werden." Die Menschen schlafen schlecht. Wenn das Kind das Haus verlässt, denkt man sich "hoffentlich kommt der wieder!" Es ist nur Glück, dass ich und meine Familie in Europa leben, während andere sterben. Es hätte genauso gut mich treffen können.

In Somalia tötete eine Drohne vor kurzem einen Anführer der islamistischen Schabab-Miliz. US-Politiker verweisen darauf, dass die meisten Opfer Terroristen seien. Ist Ihr Dronememorial nicht auch ein Terroristen-Memorial?

Feroz: Nein! Ich habe von Anfang an darauf geachtet, dass keine Menschen auftauchen, die als "Terroristen" eingestuft worden sind. Obwohl die Definition seitens der USA ziemlich schwammig ist.

Heißt das umgekehrt, dass es auch aus Ihrer Sicht legitime Ziele für Drohnenangriffe gibt?

###mehr-links### Feroz: Nein, das heißt es nicht. Ich finde, dass jeder - egal wie kriminell - einen fairen Prozess verdient hat. Gezielte Tötungen verstoßen gegen jegliches Recht. Ich will mir einfach den Vorwurf, da gedenke einer Terroristen, nicht antun. Das würde letztendlich dem gesamten Projekt schaden.

Wie kommen Sie an die Informationen über die Opfer?

Feroz: Ich telefoniere mit Nachrichtenagenturen, schreibe E-Mails an lokale NGOs. Das Problem ist, dass selbst bei Medien vor Ort das Interesse nicht besonders groß ist. Afghanische Mainstream-Medien arbeiten nicht anders als unsere: Meist suchen sie Storys über Taliban-Terror und westliche Opfer. Die Drohnen sind lediglich ein kleiner Teil des "normalen Krieges". In Pakistan hingegen ist das Interesse viel größer: Menschen protestieren. Eine pakistanische Zeitung hat zum Beispiel sofort über mein Projekt geschrieben.

Und bei uns? Amnesty International und Human Rights Watch haben kürzlich in zwei großen Berichten Drohnenangriffe scharf kritisiert. Gibt es eine Entwicklung hinzu mehr kritischer Öffentlichkeit?

Feroz: Für die meisten Leute ist es wohl zu weit weg oder man hält die Menschen für Terroristen. Trotzdem kann die Öffentlichkeit kritischer werden. Dazu muss man ihnen klar machen, dass dieser smarte Typ im Weißen Haus regelmäßig Mordbefehle unterschreibt. Und man muss den Menschen die Toten aufzwingen: indem man ihnen solche Liste vorführt - mit all den Toten und ihren Namen.