Ein Weltereignis mit Schattenseiten

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Holzstich "Hus auf dem Konzil zu Konstanz" nach einem Gemälde von Karl Friedrich Lessing (1808-1880).
Ein Weltereignis mit Schattenseiten
600 Jahre Konstanzer Konzil: Ausstellung erinnert an die größte Kirchenversammlung des Mittelalters
Genau ein Jahrhundert vor der Reformation tagte in Konstanz die größte Kirchenversammlung des Mittelalters. Das Konzil von 1414 bis 1418, bei dem die einzige Papstwahl auf deutschem Boden stattfand, befasste sich mit ganz ähnlichen Fragen, wie sie später auch Martin Luther umtrieben. Dessen Vorläufer Jan Hus starb in Konstanz noch auf dem Scheiterhaufen. Eine Ausstellung erinnert ab Ende April an das Weltereignis am Bodensee.

Das Konstanzer Konzil erregt noch heute die Gemüter, obwohl es 600 Jahre her ist. Viele Fragen, die damals im Mittelpunkt standen, sind aktuell geblieben: Darf man Tyrannen töten? Wie ist mit sogenannten Abweichlern umzugehen? Steht ein Konzil über dem Papst oder umgekehrt? Das Konzil sei das "weltgeschichtlich bedeutendste Ereignis, das sich auf dem Boden von Baden-Württemberg ereignet hat", sagt der Direktor des Badischen Landesmuseums in Karlsruhe, Harald Siebenmorgen. Dreieinhalb Jahre Vorbereitungszeit und deutlich mehr als drei Millionen Euro hat sein Haus in eine Ausstellung investiert, die ab 27. April zu sehen sein wird.

###mehr-artikel###Die Schau findet an einem Ort statt, wie er authentischer nicht sein könnte: im sogenannten "Konzil" in Konstanz, einem 1388 als Kaufhaus und Warenlager errichteten Gebäude direkt am Bodensee. "Hier kommt nicht ein Exponat in die Ausstellung, sondern eine Ausstellung in ein Exponat", sagt denn auch Kuratorin Karin Stober. In dem geschichtsträchtigen Haus wurde im November 1417 nach dreitägigem Konklave Martin V. zum neuen Kirchenoberhaupt bestimmt - die einzige Papstwahl nördlich der Alpen. Und die bisher letzte Wahl, an der neben den Kardinälen auch weitere kirchliche wie weltliche Persönlichkeiten mitwirkten. Ein demokratisches Highlight der Kirchengeschichte.

Blick auf die Altstadt von Konstanz am Bodensee. Im Vordergrund das frühere Dominikanerkloster, in dem Jan Hus während des Konstanzer Konzils gefangen war. Heute befindet sich in dem Gebäudekomplex ein Nobelhotel.

Durch König und Papst einberufen

Das Konzil war durch den römisch-deutschen König Sigismund von Luxemburg und Papst Johannes XXIII. einberufen worden. Letzterer war eines von damals drei amtierenden Kirchenoberhäuptern, heute ist er in den Papstlisten durch seinen gleichnamigen Amtsbruder (1958-1963) ersetzt. Damals befand sich die Kirche in einer tiefen spirituellen und organisatorischen Krise. Konstanz sollte sich mit drei zentralen Anliegen befassen: der "causa unionis", der "causa fidei" und der "causa reformationis", also den Fragen nach der Einheit der Kirche, des rechten Glaubens und einer Reform an Haupt und Gliedern.

###mehr-links###Als Johannes XXIII. wenige Monate nach Eröffnung der Kirchenversammlung aus Konstanz floh, stellte sich umso drängender die Grundfrage: Steht das Konzil über dem Papst? Im Dekret "Haec Sancta" vom April 1415 leiten die Konzilsväter ihre Autorität direkt von Jesus Christus ab. Der römische Papst Gregor XII. resigniert schließlich, übrigens der letzte Amtsverzicht vor Joseph Ratzinger. Einzig "Papa Luna", der spanische Gegenpapst Benedikt XIII., verweigert sich. Doch dies ändert nichts an der allgemeinen Anerkennung der Wahl von Martin V., mit der in Konstanz das jahrzehntelange Schisma der westlichen Kirche zu Ende geht.

Dunkles Kapitel der Kirchengeschichte

Doch die Stadt am Bodensee steht auch für ein dunkles Kapitel der Kirchengeschichte: Der böhmische Kirchenrebell Jan Hus, Rektor der Prager Universität, wird in Konstanz trotz freien Geleits ("salvus conductus") eingekerkert. Man macht ihm den Prozess, baut ihm dabei einige goldene Brücken, doch der Theologe verweigert den Widerruf für Dinge, die er nie behauptet hat. Es geht um die Kelchkommunion für Laien, vor allem um die sogenannte Transsubstantiationslehre, die vollständige Umwandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Jesu. Hus wird am 6. Juli 1415 vor den Toren von Konstanz verbrannt, sein Freund Hieronymus von Prag stirbt ein knappes Jahr später den gleichen Tod.

Zu den Ausstellungsobjekten zählt auch ein Fragment vom Gewand des Jan Hus.

Um jeglichen Reliquenkult zu vermeiden und alle Spuren zu verwischen, wurde die Asche von Hus seinerzeit in den Rhein gestreut. Deshalb gehört zu den bemerkenswerten Objekten der 350 Ausstellungsexponate ein Textilfragment, das von einem Mantel des böhmischen Reformators stammen soll. Es wurde bei den Vorbereitungen zu der Ausstellung in einem Museum in Colmar entdeckt. Schweizer Spezialisten bestätigten inzwischen, dass das Stoffteil vom Ende des 14. Jh stammt. Es könnte also durchaus authentisch sein.

Weitere herausragende Exponate werden bei der Konstanzer Ausstellung zu sehen sein: etwa die Mitra, die der Abt von Kreuzlingen aus den Händen von Johannes XXIII. erhielt, als Dank für die Gastfreundschaft der Konzilsstadt. Zudem zeigt die Schau eine ganze Reihe von Handschriften der berühmten Konzilschronik Ulrichs von Richental - die Aufzeichnungen des Konstanzer Bürgers sind eine Hauptquelle für die Geschichte des Konzils. Vor dem Konzilsgebäude lädt ein mittelalterlicher Nutzgarten zum Schnuppern und Kosten ein - eine Webcam zeigt schon jetzt die Fortschritte des Projekts.

"Tauziehen der Mächtigen"

Das fast vierjährige Treffen drehte sich nicht nur um theologische und kirchenpolitische Fragen, sondern war ein "Tauziehen der Mächtigen", so Karin Stober. In Konstanz wurden alle damals wichtigen politischen Themen behandelt, etwa der Kampf von Polen-Litauen gegen den Deutschen Orden oder der hundertjährige Krieg zwischen England und Frankreich. Im Rahmen des Konzils wurde 1417 auch der hohenzollerische Burggraf von Nürnberg, Friedrich VI., mit der Markgrafschaft Brandenburg belehnt - Voraussetzung für den Aufstieg der Hohenzollern zum deutschen Kaisergeschlecht von 1871.

Im Alten Kaufhaus von Konstanz, das heute den schlichten Namen "Konzil" trägt, wurde im November 1417 ein neuer Papst gewählt.

Das Konstanzer Konzil war ein "multikulturelles Ereignis", wie Harald Siebenmorgen sagt, mit Verweis auf Teilnehmer von Äthiopien bis zur Ukraine, von der iberischen Halbinsel bis Nordeuropa. Es war zudem eine stadtgeschichtliche Sensation. In den theologischen Diskussionen blieben die Konzilsväter zwar unter sich, doch mit unzähligen Prizessionen und Umzügen brachte sich das Konzil der Stadt nahe. "In der Ausstellung soll deutlich werden, was die Versammlung für Konstanz bedeutete", sagt Siebenmorgen. Die Stadt hatte damals 6.000 bis 7.000 Einwohner, die Zahl der Besucher wird auf 70.000 geschätzt.

Darunter befanden sich neben den Konzilstheologen aber auch Handwerker, Kaufmänner und Spielleute, aber auch die sogenannten "Hübschlerinnen", die ihren Körper feilhielten. Die "Imperia" von Peter Lenk erinnert seit 1993 am Bodenseeufer an diesen Aspekt der Konzilsgeschichte. Von einem "Weltereignis der Sinne" spricht Karin Stober und meint damit die Klänge und Gerüche, die damals durch die Stadt gingen. Das Konzil, so die Kuratorin, habe sich "tief ins Gedächtnis der Stadt eingegraben".

Oswald von Wolkenstein: "Tut mit gleich der Beutel weh"

Das bezeugt auch Oswald von Wolkenstein, der sich über die hohen Preise im damaligen Konstanz beschwerte. Der berühmte Minnesänger, Augenzeuge des Konzils, gab wenig schmeichelhaft zu Protokoll: "Denk ich an den Bodensee, tut mir gleich mein Beutel weh." Doch Wolkenstein verweist zugleich darauf, welch bedeutendes kulturelles Ereignis die Versammlung gewesen ist. Manuel Chrysoloras, berühmter Humanist aus Konstantinopel, starb in Konstanz. Die Italiener, die von ihm die griechische Kultur und Sprache vermittelt bekamen, schwärmten von der Konzilstadt in die deutschen Klöster aus, um nach Handschriften zu suchen. Einer von ihnen, Poggio Bracciolini, entdeckte "De rerum natura", einen berühmten Text des römischen Schriftstellers Lukrez. Stephen Greenblatt hat jüngst ein bemerkenswertes Buch ("Die Wende") darüber geschrieben.

Auch die Folgen des Konzils sollen bei der Ausstellung gezeigt werden, kündigt Siebenmorgen an. Das hat nicht zuletzt zu tun mit der gescheiterten Kirchenreform, die in die Reformation mündete, oder mit der Wiederentdeckung der Person Hus als tschechische Nationalfigur im 19. Jahrhundert. Mit Blick auf das Konzil spricht der Museumschef von einer "zerrissenen Zeit, mit den unterschiedlichsten Strömungen. Auch von daher ist sie in gewisser Weise mit unserer Zeit vergleichbar." Die Ausstellungsmacher rechnen mit einer sechsstelligen Besucherzahl, 800 Gruppen haben sich bereits angemeldet. "Wir hoffen, dass auch die Ausstellung ein Weltereignis wird", so Karin Stober. Schirmherr der Schau ist übrigens Bundespräsident Joachim Gauck. Zur Eröffnung Ende April hat er keine Zeit. Die Ausstellung will er aber zu einem späteren Zeitpunkt besuchen.