Küng warnt vor Gegenwind im "katholischen Frühling"

Foto: dpa/Franziska Kraufmann
Küng warnt vor Gegenwind im "katholischen Frühling"
Der katholische Theologe Hans Küng lobt die Reformansätze von Papst Franziskus. Er warnt aber zugleich vor einer starken Gegenbewegung, die eine Wende in der katholischen Kirche verhindern möchte.

"Es gibt mächtige Gruppen in Vatikan und Weltkirche, die gerne das Rad zurückdrehen möchten", sagte der 85-Jährige in einem Interview des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel". "Die haben Angst um ihre Pfründen." Der katholische Frühling sei schon da, betonte Küng. "Aber es besteht die gleiche Gefahr von Rückschlägen und einer Gegenbewegung wie beim Arabischen Frühling."

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Er habe nicht mehr damit gerechnet, eine Wende in der katholischen Kirche zu erleben, räumte der Kirchenkritiker ein. Doch Franziskus habe einen Paradigmenwechsel eingeleitet. "Die Vereinfachung der Kleidung, die Veränderungen des Protokolls, die ganz andere Sprache, das sind keine Äußerlichkeiten", erklärte Küng. "Man sieht bei diesem Papst wieder viel mehr den Dienstcharakter des Petrusamtes." Die Forderung nach einer armen Kirche führe zu einem anderen Denken. Küng äußerte die Vermutung, dass Vorgänger Benedikt XVI. den wegen Verschwendungsvorwürfen unter Druck geratenen Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst nicht suspendiert hätte.

Wenn der Papst gut beraten werde und einen fähigen Stab habe, könne er die Kirche umkrempeln, betonte Küng. "Der Papst könnte, wenn er will, von heute auf morgen das im 12. Jahrhundert eingeführte Zölibatsgesetz abschaffen." Er könne sich angesichts der schwindenden Priesterzahlen nicht vorstellen, dass diese Frage weiter aufgeschoben werde, sagte der Tübinger Professor. "Ich weiß nicht, wie man in der nächsten Generation noch Seelsorge in Deutschland leisten kann. Die Frage ist schon längst reif, und das Kirchenvolk ist weithin bereit zu dieser Reform."

Küng verteidigte auch seine Thesen zur Sterbehilfe: Diese könne die "ultimative, letztmögliche Lebenshilfe" sein, sagte er. "Der Gott der Bibel ist ein Gott der Barmherzigkeit und nicht ein grausamer Despot, der den Menschen möglichst lang in der Hölle seiner Schmerzen sehen will." Küng, der an Parkinson leidet, hat angekündigt, als Schweizer Staatsbürger möglicherweise in der Schweiz Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen. Er sei seit kurzem Mitglied in einer Sterbehilfeorganisation, sagte er. "Das heißt nicht, dass ich den Freitod anstrebe. Aber ich möchte für den Fall, dass meine Krankheit sich zuspitzt, die Grantie haben, in menschenwürdiger Weise sterben zu können."

Küng ist auch Begründer der Tübinger Stiftung Weltethos. Die katholische Kirche hatte ihm 1979 die Lehrerlaubnis wegen seiner Kritik am Papsttum und an verschiedenen katholischen Lehren entzogen.