Hamba kahle, Nelson Mandela!

Nelson Mandela
Foto: epd-bild/Henner Frankenfeld
Hamba kahle, Nelson Mandela!
Damit die Ideale, für die Nelson Mandela sein Leben lang gekämpft hat, nicht mit ihm sterben, bedarf es eines tatkräftigen Engagements auf allen Ebenen der Gesellschaft. Nur so kann ihm Südafrika die Ehre erweisen, die er verdient, sagt Simone Knapp von der Kirchlichen Arbeitsstelle Südliches Afrika.

"Now the challenge is for all of us to protect our democratic gains like the apple of our eye. It is for those who have the means, to contribute to the efforts to repair the damage brought by the past. IT IS FOR THOSE WHO HAVE SUFFERED LOSSES OF DIFFERENT KINDS AND MAGNITUDES TO BE AFFORDED REPARATION, proceeding from the premise that freedom and dignity are the real prize that our sacrifices were meant to attain. Free at last, we are all masters of our destiny. A better future depends on all of us lending a hand - your hand, my hand."

- Nelson Mandela bei der Übergabe des Berichts der Wahrheits- und Versöhnungskommission 1998

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Es gibt wohl kaum eine Persönlichkeit des 21. Jahrhunderts, die so bekannt ist wie Nelson Mandela und gleichzeitig in der öffentlichen Wahrnehmung einen derartigen Wandel vollzogen hat. Für Margret Thatcher war und blieb er der Inbegriff eines Terroristen; für den Be-freiungskampf in Südafrika war er das Symbol für Widerstand gegen ein totalitäres Re-gime, das vor nichts zurückschreckte. Als er gemeinsam mit Willem de Klerk den Friedensnobelpreis entgegennahm, stand sein Land immer noch am Rande eines Bürger-kriegs, den er durch sein Verhandlungsgeschick und seine Vision für ein anderes Südafrika verhindern konnte – zu einem hohen Preis, wie wir heute wissen.

Er war das leuchtende Vorbild für Frieden und Versöhnung, nicht nur für Südafrika. Und er bleibt ein Vorbild besonders für all die Präsidenten, die nach der Befreiung ihrer Länder von kolonialen und rassistischen Systemen an der Macht festhalten und allzu oft den Willen ihrer Bevölkerung missachten.
Nelson Mandela starb am 5. Dezember im Alter von 95 Jahren nach langer Krankheit.

Wer und wie war Nelson Mandela als Mensch?

In dem Dokumentarfilm "Mugabe – what happened?" zeigt der Regisseur Simon Bright eine Szene bei Mugabes Geburtstag, in der der neu gewählte südafrikanische Präsident ebenfalls zu sehen ist. Er sitzt an der Tafel und riecht selbstvergessen und scheinbar unbeobachtet an einer Plastikblume von der Tischdekoration und legt sie irritiert wieder weg, weil sie nicht duftet.

Diese Szene mag unbedeutend erscheinen, aber sie verrät etwas über Mandela: Der Mann, der 27 Jahre seines Lebens inhaftiert war, hatte einen anderen Blick auf die sich neu entfaltende Realität um ihn herum.

Er tanzte gern, war amüsant und besaß eine Ausstrahlung, die man kaum fassen kann. Man meint, sie selbst in seiner Gefängniszelle von Robben Island noch spüren zu können.

In den Medien war oft nur der Staatsmann, der Visionär und Charismatiker zu sehen, nur am Rande wurde der Vater oder einfach nur der Mensch sichtbar – vielleicht, um die Ikone, das alles überstrahlende Vorbild nicht zu gefährden. Umso erschreckender, wie er in den letzten Jahren, in denen er krank und gebrechlich wurde, sowohl von der eigenen Familie als auch von den Politikern medial missbraucht wurde. Viele wollten sich mit diesem Symbol für ein neues Südafrika schmücken, oft um davon abzulenken, wie weit sie sich selbst von diesen Idealen entfernt haben.

Symbol der Versöhnung aus christlicher Sicht

Gerade aus christlicher Sicht war seine Arbeit zur Versöhnung herausragend. Am Beginn der Arbeit der Kasa steht der Kampf gegen das Vergessen, für Entschädigung und Wiedergutmachung, unter anderem an der Seite der Opfer und Überlebenden der Apartheid, die sich in der "Khulumani Support Group" zusammengeschlossen haben.

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Inspiriert durch Mandelas ausgestreckter Hand einerseits und der biblischen Erlassjahridee andererseits treten wir bis heute dafür ein, dass Individuen und Unternehmen für ihre Verbrechen gegen die Menschheit – als solches wurde die Apartheid bezeichnet – zur Verantwortung gezogen werden, die Opfer eine angemessene Entschädigung erhalten und Wiedergutmachung erfahren. Mandela hat dies in die Wege geleitet und hat dann die Verantwortung dafür weitergegeben.

Doch bis heute steht die Wiedergutmachung aus. Mandelas Erbe wird verraten, wenn man sich anschaut, wie die Mehrheit der Menschen in Südafrika fast 20 Jahre nach der Wahl Mandelas zum ersten demokratisch gewählten Präsidenten lebt: Südafrika ist das Land mit der weltweit größten Einkommensungleichheit, geschätzte 40 Prozent der Menschen sind ohne Arbeit, fast die Hälfte der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze.

Mandela darf gehen

Endlich nun lässt Südafrika seinen großen Mann ziehen. Noch vor wenigen Jahren war die Angst groß, dass die Nachricht über seinen Tod einen Aufstand hervorrufen könnte. Jetzt sind sich die SüdafrikanerInnen darin einig, dass er seinen Dienst an der Nation getan und ein Recht hat, in Würde zu gehen. Damit sein Lebenswerk, seine Ideale, das, wofür er sein Leben geopfert hat, nicht mit ihm stirbt, bedarf es eines tatkräftigen Engagements auf allen Ebenen der Gesellschaft. Nur so kann ihm Südafrika die Ehre erweisen, die er verdient.