Bundestag in der Kirche: "Entschlossen ans Werk"

Ökumenischer Gottesdienst zur konstituierenden Sitzung des Bundestages
Foto: epd-bild/Andreas Schoelzel
Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle (l.), Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) am Dienstagmorgen in der Berliner Hedwigskathedrale.
Bundestag in der Kirche: "Entschlossen ans Werk"
Ein kurzes Atemholen, bevor die Arbeit beginnt: Parlamentarier und Regierungsmitglieder versammeln sich traditionell zu einem ökumenischen Gottesdienst, bevor der neu gewählte Bundestag zum ersten Mal zusammentritt. Rund 300 Parlamentarier und damit fast die Hälfte kamen in die katholische St. Hedwigskathedrale im Zentrum von Berlin. Die Kirchen appellierten an die Politiker, über der Innenpolitik die weltweiten Probleme nicht zu vergessen und insbesondere mehr für Flüchtlinge zu tun.
22.10.2013
epd
Bettina Markmeyer

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die meisten Minister nahmen an dem Gottesdienst teil. Nicht dabei waren die FDP-Minister, die aus dem Kabinett ausscheiden. Merkel nahm Platz zwischen dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle und dem bisherigen und wiedergewählten Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU).

In der ersten Reihe saß auch der 77-jährige, frühere Bundesforschungsminister Heinz Riesenhuber (CDU), der als Alterspräsident die erste Parlamentsitzung der neuen Wahlperiode eröffnet. Bundespräsident Joachim Gauck konnte nicht kommen, weil ihm nach Angaben des Bundespräsidialamts am Morgen kurzzeitig unwohl war. Er kam aber später zur konstituierenden Bundestagssitzung.

"Deutschland ist stark, machen wir etwas daraus"

Der Gottesdienst wurde von Prälat Karl Jüsten, dem Leiter des Katholischen Büros Berlin, und dem Bevollmächtigten der EKD, Martin Dutzmann, gemeinsam geleitet. Dutzmann forderte in seiner Predigt eine gerechte Verteilung des Wohlstands und die Bereitschaft zum Teilen: "Die Politik kann und muss dafür die Rahmenbedingungen schaffen", sagte der Prälat, der seit Anfang des Monats die Interessen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gegenüber der Politik in Berlin und Brüssel vertritt.

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Sein katholischer Kollege Jüsten appellierte an die Politiker, sich auch "die Sorgen und Nöte der Einen Welt" zu eigen zu machen: "Nehmen Sie sich insbesondere des Schicksals der Migranten und Flüchtlinge an", bat Jüsten. "Deutschland ist stark, machen wir etwas daraus zum Wohle der Menschen." Die Kollekte ging an eine gerade erst eröffnete Zufluchtstätte für jugendliche Flüchtlinge und Kinder auf Lampedusa.

Gegenüber von Merkel und den Kabinettsmitgliedern saßen in der ersten Bankreihe die Fraktionsvorsitzenden. Der künftige Oppositionsführer, Gregor Gysi (Linksfraktion), war nicht dabei; der grüne Co-Vorsitzende von Katrin Göring-Eckardt, Anton Hofreiter, war verhindert.

Glaube hilft, sich nicht zu überschätzen

Prälat Dutzmann ermunterte die neu gewählten Volksvertreter, "entschlossen ans Werk" zu gehen. Der Glaube helfe, sich nicht zu überschätzen und mache frei, andere Meinungen gelten zu lassen und Kompromisse zu schließen, fügte er hinzu.

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Von den mehr als 200 Abgeordneten - darunter 93 von der FDP - die entweder für den 18. Bundestag nicht mehr kandidiert hatten oder nicht wiedergewählt wurden, waren einige gekommen. Ex-Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) saß hinter Lammert, der bisherige kirchenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Josef Winkler, trug eine der Fürbitten vor, und der bisherige stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion, Heinrich L. Kolb, sagte, nach 23 Jahren im Parlament sei ihm dieser Gottesdienst wichtig gewesen.

Im neuen Parlament sind nach einer Umfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) fast gleichviel Protestanten (220) wie Katholiken (224) vertreten. Die Zahl der Muslime stieg von drei auf neun. Mehr als ein Achtel der 631 Parlamentarier (85) ist konfessionslos. Immer mehr Volksvertreter machen keine Angaben mehr. Religion gehört für sie zu den Privatangelegenheiten.

Die konstituierende Sitzung des neuen Bundestages muss spätestens am 30. Tag nach der Wahl stattfinden und wird vom ältesten Abgeordneten, dem Alterspräsidenten, eröffnet. 230 Abgeordnete sind neu, das Parlament ist jünger, weiblicher und multikultureller geworden. Die gegenwärtige Bundesregierung bleibt solange geschäftsführend im Amt, bis eine neue Regierung gebildet ist. Union und SPD wollen an diesem Mittwoch mit den Koalitionsverhandlungen beginnen.