"Zeit" berichtet kritisch über eigene Pädophilie-Texte

"Zeit" berichtet kritisch über eigene Pädophilie-Texte
Der ehemalige Chefredakteur der Wochenzeitung "Die Zeit", Theo Sommer, hat sich zu den Pädophilie-freundlichen Texten eines langjährigen Feuilletonchefs der Wochenzeitung geäußert.

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Sommer erklärte, er könne sich nicht an Debatten in der Redaktion über die Texte von Rudolf Walter Leonhardt (1921-2003) erinnern, die 1969 als Serie erschienen, schreibt Sommer in einem Artikel der jüngsten Ausgabe. Er wisse nicht mehr, warum die Artikel damals keine Empörung ausgelöst hätten, könne sich aber im Nachhinein zwei Gründe vorstellen, die in der Person des Autors und der damaligen Gesellschaft zu finden seien.

"Zum Ersten kannten wir unseren 'Leo'", schrieb Sommer. "Er riskierte gern Widerspruch und Empörung und genoss es, Außenseiter zu sein und zuweilen auch Einzelgänger." Leonhardt habe Geschwindigkeitsbeschränkungen genauso abgelehnt wie eine Gurtpflicht oder eine strenge Verfolgung von alkoholisierten Autofahrern. "Mit Verve stürzte er sich in jedes Schlachtengetümmel der Meinungen und vertrat gern auch einmal unhaltbare Ansichten."

Zum Zweiten hätten damals noch Verbotsparagrafen zur Sexualität gegolten, für deren Aufhebung die "Zeit" eingetreten sei: Bestimmungen, die Homosexualität, Ehebruch, Kuppelei und Abtreibung unter Strafe stellten. "Womöglich waren wir blind, aber keiner von uns las Leos Text als Aufruf zur Freigabe der Pädophilie." Heute erscheine Leonhardts Grundhaltung unmoralisch und verwerflich. "Da hätten wir schärfer hinschauen müssen", räumte Sommer ein. Die "Zeit" sei als Blatt jedoch niemals für Pädophilie eingetreten.

Damals keine Empörung bei den Lesern

Zu Beginn der Woche hatte sich bereits der amtierende Chefredakteur Giovanni di Lorenzo von den Texten distanziert, in denen Leonhardt für eine Entkriminalisierung von Sex mit Kindern eintrat. Leonhardt relativierte den Missbrauch von Minderjährigen und führte Beispiele aus Geschichte und Literatur auf, in denen Mädchen sexuelle Beziehungen mit Männern führten. Einen Nachweis, dass Kinder durch eine sexuelle Begegnung mit Erwachsenen Schaden nähmen, gebe es nicht, schrieb der Feuilletonchef damals.

Die "Zeit" berichtet in einem weiteren Beitrag ihrer aktuellen Ausgabe, Leonhardt habe in seiner Serie erklärt, dass Kinder vor Vergewaltigung geschützt werden müssten. Er habe es allerdings "grotesk" und "weltfremd" gefunden, dass die Kinder nicht in die Tat einwilligen können sollten. "Stets zeigt er Verständnis für die Männer - nie nimmt er die Perspektive der Minderjährigen ein", hieß es. Die Serie habe bei den Lesern keine Empörung ausgelöst.