Nicht zu reichenfreundlich wirken

Goldenes Pissoir
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Missverständnis: "Eliten" sind nicht nur Bonzen, sondern - so der Vorschlag von Ellen Ueberschär - alle, die Verantwortung tragen.
Nicht zu reichenfreundlich wirken
In der Sendung "Anne Will" ging es um Deutschlands Eliten
"Abgehoben, abgeschottet, unsozial – sind so Deutschlands Eliten?" In der Sendung von Anne Will ging es um die Frage, ob Deutschland ein gerechtes Land ist. Die Überzeugung hängt dabei immer auch von der eigenen Herkunft ab, glaubt der Soziologieprofessor Michael Hartmann. Seine These greift Anne Will auf und fragt zugleich, wie solidarisch Deutschlands Eliten sind. Dabei begeht die Journalistin einen Fehler: Sie definiert den Kernbegriff zu eng.

Die Diskussionen um Uli Hoeneß‘ Steuerhinterziehungen sind in der öffentlich-rechtlichen Talkshow-Landschaft etwas abgeflaut, doch das Thema bleibt präsent. Der Präsident des FC Bayern München ist nicht allein. Mehr als tausend Deutsche haben sich in der letzten Zeit selbst angezeigt – wegen Steuerhinterziehung. Ein Indiz, dass Deutschlands Eliten "abgehoben, abgeschottet, unsozial" sind? Darüber diskutierte Anne Will mit ihren Gästen.

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Der als "Eliteforscher" bekannt gewordene Soziologieprofessor Michael Hartmann hat gerade das Buch "Soziale Ungleichheit – Kein Thema für die Eliten?" veröffentlicht. Kernthesen präsentierte er in der Sendung: Während 73 Prozent der Gesamtbevölkerung den sozialen Frieden durch die Arm-Reich-Kluft gefährdet sieht, empfinden nur 43 Prozent der von ihm befragten Elite, dass Deutschland sozial ungerecht sei. Bemerkenswert erscheint, dass diese Wahrnehmung umso stärker ausgeprägt ist, je großbürgerlicher die Befragten aufgewachsen sind. "Die Gesellschaft ist nicht nur ökonomisch gespalten, sondern auch in ihrer Einstellung gespalten", stellte Hartmann fest.

Kubicki: "Ich komme aus einem armen Elternhaus"

Mit dieser Vorlage nahm die Diskussion ihren erwartbaren Gang. Auch wenn sich der streitbare FDP-Mann Wolfgang Kubicki und Unternehmer und Politikerin-Gatte Hans Rudolf Wöhrl zunächst Mühe gaben, mit ein wenig Manager-Bashing nicht zu reichenfreundlich zu wirken, waren sie doch gemeinsam der Gegenpol zu Hartmanns Thesen. "Ich selbst komme aus einem armen Elternhaus und bin trotzdem gegen Steuererhöhungen", bekannte sich Kubicki wenig überraschend. Wöhrl betonte, dass es einen entscheidenden Unterschied mache, ob jemand als Unternehmer tätig oder als Manager angestellt sei. Das beeinflusse auch, wie man die Gesellschaft wahrnehme.

v.l.: Ellen Ueberschär (Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentages), Klaus Wiesehügel (Bundesvorsitzender IG BAU), Michael Hartmann (Eliteforscher)

Hartmann nahm ihm sogleich den Wind aus den Segeln. In seiner Studie seien viele Familienunternehmer befragt worden. Gerade, wenn sie in Wohlstand groß geworden seien, zeigten sie sich in der Befragung tendenziell wirtschaftsliberal. Die Gespräche hätten sich jetzt in Zahlen und Einzelschicksalen verlieren können, doch nach 20 Minuten richtete Anne Will ihre erste Frage an Ellen Ueberschär. Die Theologin stellte die längst überfällige Frage: "Was ist Elite überhaupt?"

Für Ueberschär sind es ganz allgemein Leute, die Verantwortung tragen. Sei es eine wirtschaftliche, politische, geistige oder kulturelle. Doch leider verhallte diese Kritik am bisherigen Sendungsverlauf allzu schnell – obwohl auch Hartmann den Begriff in seiner Studie sehr viel weiter fasst. Alsbald drehte sich in der Diskussion alles um die Rolle der Vermögenden in einer Gesellschaft, den idealen Spitzensteuersatz und die Forderung nach einem besseren Bildungssystem. Die Argumente waren nicht neu.

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Für Unterhaltung sorgte Hans Wöhrl, der von Sendeminute zu Sendeminute immer mehr ins Schlingern geriet. Mit Aussagen wie: "Geld löst keine Probleme" und "Im sozialistischen Weltbild muss der Unternehmer böse sein" brachte er vor allem Klaus Wiesenhügel, den Vorsitzenden der IG BAU zur Verzweiflung. Beide leisteten sich hitzige Wortgefechte.

Inhaltsreicher hätte die Diskussion werden können, als die Runde über Sinn und Zweck von Stiftungen diskutierte. Hier lieferte Ueberschär spannende Ansätze, wenn sie kritisierte, dass einige Stiftungen sich der demokratischen Kontrolle entzögen. Der Rest der Runde war sich vor allem darüber einig, dass jede Stiftung ein Einzelfall sei und man nichts pauschalisieren könne.

Wieder einmal tauschte eine Diskussionsrunde altbekannte Thesen zum Thema der sozialen Gerechtigkeit aus. Besonders enttäuschend: Der Begriff Elite wurde mit dem Klischee des Bonzentums gleichgesetzt. So wurde der Debatte von Anfang an die Vielschichtigkeit genommen.