Allah als Wahlkampfhelfer

Foto: REUTERS/Bazuki Muhammad
UMNO-Mitglieder tun mit Schildern auf der Parteiversammlung der UMNO ihre Unterstützung für den malayischen Premierminister Najib Razak kund.
Allah als Wahlkampfhelfer
Spätestens im April wird in Malaysia ein neues Parlament gewählt. Um von Korruptionsvorwürfen abzulenken, hat die regierende Partei einen Streit um eine religiöse Frage angezettelt: das arabische Wort Allah für Gott soll allein den Muslimen gehören.
13.02.2013
Robert Spring

An einem Samstag Ende Januar machte Najib Razak den fünf großen Religionen Malaysias seine Aufwartung. Zum beginnenden Wahlkampf wollte der Premierminister ein Zeichen der Harmonie und dies Miteinanders setzen in einer Zeit, in der von islamischen Hitzköpfen Hass gegen Minderheitsreligionen gepredigt und die Spannungen zwischen den Religionen geschürt werden. In Kuala Lumpurs Stadtteil Brickfields schaute Najib bei Tempeln von Hindus, Taoisten und Buddhisten sowie an der Tamil Methodist Church vorbei, setzte aber keinen Fuß in eines der Gotteshäuser. Nur die Moschee besuchte der gläubige Muslim.

Seid nett zueinander, aber wahrt Distanz, ist die Botschaft, die Najib an die Bürger des multiethnischen, multireligiösen, aber mehrheitlich islamischen Malaysia aussendete. Eine Botschaft, die im Gegensatz zu der von Najib gleich nach seinem Amtsantritt 2009 initiierten Kampagne "1Malaysia" steht, was so viel wie "Wir sind ein Volk" bedeutet. Malaysia muss bis spätestens Frühsommer ein neues Parlament wählen und erstmalig seit über 50 Jahren erscheint ein Machtwechsel möglich.

"Allah" steht auch in der malayischen Bibel für "Gott"

Die Religionstour durch Brickfields enttäuschte aber all jene Malaysier jeglichen Glaubens, die ein klares Wort ihres Premierministers zu der immer mehr außer Kontrolle geratenden Kontroverse um das Wort Allah erwartet hatten. Najib aber zog es vor, weiterhin zu schweigen. Um was es bei der Allah-Kontroverse geht, ist schwer zu beschreiben und wirkt beinahe grotesk.

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In Malaysia meinen nicht nur Muslime Gott, wenn sie von Allah sprechen. Das Wort findet sich auch in der heiligen Schrift der Sikh sowie seit über 400 Jahren auch in der Bibel in der Landessprache Bahasa Malaysia. Und auch im Rest der islamischen Welt zwischen Indonesien und dem Nahen Osten beten Christen in den jeweiligen Landessprachen zu Allah. Allah ist kein Eigenname, sondern lediglich das arabische Wort für Gott. Seit 2008 aber beanspruchen muslimische Politiker, Aktivisten und Kleriker in Malaysia ein Exklusivrecht auf Allah.

Am 8. März 2008 war etwas passiert, was bis dahin als undenkbar galt: Die allmächtige Umno und die mit ihr in der Barisan Nasional (BN) verbündeten kleinen Parteien schrammten hart an einer Wahlniederlage vorbei. Die von dem charismatischen Anwar Ibrahim aus seiner Volksgerechtigkeitspartei, der chinesisch dominierten linken Demokratischen Aktionspartei sowie der islamischen PAS geschmiedete Oppositionskoalition Pakatan Rakyat (PR) hatte mit ihrer Botschaft der Gleichheit aller Ethnien und Religionen den Nerv der Zeit getroffen.

Die Saat des Hasses geht auf

Geschockt über den Verlust ihrer Zweidrittelmehrheit und des Beinaheverlusts der Regierungsmacht löste die Umno die Allah-Affäre aus. Damit will sie von Korruption, mangelnden Inhalten und der systemischen Reformunfähigkeit der Umno ablenken und pumpt sich gleichzeitig als Verteidiger des Glaubens, der Kultur, der Identität der muslimischen Malaien gegen die christliche Bedrohung auf. Erstes Ziel war die katholische Kirche, der das Innenministerium die Verwendung von Allah in ihren Publikationen in der Landessprache verbot. Die Kirche ging vor Gericht und obsiegte. Im Januar 2009 legte die Regierung Berufung gegen das Urteil ein. Aufgebrachte muslimische Jugendliche zündeten daraufhin Kirchen an.

Zur Untermauerung des Copyright auf Allah werden merkwürdige Argumente ins Feld geführt. Muslime könnten verwirrt werden, wenn Christen zu Allah beten, lautet eines. Ein anderes: Das Wort Allah zu benutzen sei eine Art trojanisches Pferd auf dem Kreuzzug der Christen, die die Muslime missionieren wollten. Zeitungen im Besitz der Regierungspartei Umno, deren Vorsitzender Najib ist, wollen gar eine christliche Verschwörung gegen den Islam und die staatliche Ordnung in Malaysia ausgemacht haben. Die Saat des Hasses geht auf. Vor zwei Wochen hatten radikale Islamisten zu einem "Festival der Bibelverbrennung" aufgerufen- das dann im letzten Moment doch nicht stattfand.

Allah-Streit spaltet auch die Muslime

Beflügelt vom Wahlerfolg der Opposition vor fünf Jahren ist die Zivilgesellschaft aktiv geworden. Zehntausende sind in den letzten Jahren für eine Reform des Wahlrechts und gegen umweltschädliche Großprojekte auf die Straße gegangen. Blogs, Twitter, Facebook und unabhängige Onlinemagazine haben die Meinungshoheit der von Regierung und Parteien kontrollierten Zeitungen und elektronischen Medien gebrochen.

Zur Freude der Umno hat jedoch der Allah-Streit die islamische PAS gespalten. Deren Schariarat hat sich vor kurzem auf die Seite der Allah-nur-für-Muslime-Fraktion geschlagen. Monotheistische Religionen, so der Schariarat, könnten natürlich Gott mit Allah übersetzen. Das Christentum sei jedoch wegen des theologischen Konzepts der Dreifaltigkeit keine monotheistische Religion. Damit sammelt die PAS Pluspunkte bei konservativen muslimischen Wählern. Andererseits vergrätzt sie jene, die der PAS ihre Abkehr von dem Ziel eines Gottesstaates in Malaysia nie so ganz geglaubt haben. Zudem bringt sie die politische Führung der Oppositionskoalition in eine Bredouille, die das Recht nicht-muslimischer Religionen auf die Verwendung von Allah als Wort für Gott verteidigt.

Malaysias Christen wehren sich

Statt die Wogen zu glätten, gießt die Regierung noch Öl ins Feuer. Nur acht Tage vor Najibs Religionstour warnte das Religionsministerium in einer Vorlage für das islamische Freitagsgebet mit Blick auf Christen und die politische Opposition: "Es ist heute völlig klar, dass die Feinde des Islam dabei sind, die Muslime von ihrem Glauben abzubringen und die muslimische Gemeinschaft zu unterminieren."

Die unter Dauerfeuer stehenden Kirchen machen unterdessen ihrem Ärger über die antichristliche Kampagne mit immer deutlicheren Worten Luft. Bischof Paul Tan Chee Ing, Vorsitzender der Katholischen Bischofskonferenz, forderte gegenüber unabhängigen malaysischen Medien in seiner Reaktion auf den Aufruf zu Bibelverbrennungen, die Autoren des "1Malaysia"-Konzepts müssten endlich klarstellen, "ob es ihnen um Medienrummel geht oder ob sie für ein neues Malaysia stehen, in dem Minderheiten nicht aus wahltaktischen Gründen von jenen ins Visier genommen werden, die sich von einem wachsenden Selbstbewusstsein der Öffentlichkeit bedroht fühlen."

Der anglikanische Bischof Ng Moon Hing, Vorsitzender der Dachorganisation Christian Federation of Malaysia, betont die Standfestigkeit der Kirchen: "Die malaysischen Christen benutzen das Wort Allah in ihren Bibeln auf Bahasa Malaysia und (...) werden das weiterhin tun.“ Die Fronten sind also verhärtet. Eines ist aber klar: Allah wird weiterhin als Wahlkampfhelfer eingesetzt.