Werbung für die Kirche: "Die Kündigung abwenden"

Werbung für die Kirche: "Die Kündigung abwenden"

Kirche hat eine sehr heterogene Zielgruppe: 70 Prozent der Deutschen sind in einer christlichen Kirche Mitglied. Muss Kirche ihre Inhalte deshalb massenwirksam verpacken?

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Renate Knapp: Werbung muss merkfähig und merkwürdig sein. Und das beißt sich häufig mit der reinen Verkündigung. Gute Werbung muss sich in kurzer Zeit von anderen Botschaften absetzen, um uns zu erreichen. Die Generation der 14-29-jährigen ist medial geprägt. Um deren Aufmerksamkeit zu bekommen, muss man sehr aus dem Rahmen fallen, damit man überhaupt wahrgenommen wird. Die Frage ist, welches Kommunikationsziel Kirche überhaupt mit Werbung erreichen will. Will sie ihre Angebote bekannt machen oder Präferenzen für diese Angebote erzeugen? Wer ist die Zielgruppe und wer könnte angesprochen werden?

Viele Kirchenmitglieder sind ja nicht aktiv, werden nicht erreicht über die Gemeindefeste oder ehrenamtliche Arbeit. Die kommen zu den großen Anlässen im Leben an Kirchen heran, zusätzlich noch an Weihnachten. Um zu verhindern, dass sich diese Mitglieder abwenden – in den Unternehmen heißt das Kündigungsabwendung – könnte man Maßnahmen der Kommunikation ergreifen. Für diese Gruppen, die keine Bindung mehr an ihre Gemeinden haben, wäre Werbung in deren bevorzugten Medien durchaus ein geeignetes Kommunikationsmittel.

Hat Kirche diese Werbung denn nötig?

Knapp: Ja, weil die Konkurrenz so groß ist. Weil Kirchen nicht mehr die alleinigen Anbieter spiritueller und sinnstiftender Angebote sind. Was ich empfehle ist, dass Werbung als eine integrierte Maßnahme einen Platz in einem kommunikativen Gesamtkonzept hat, neben vielen anderen Dingen. Zum Beispiel zu fragen: Was ist denn mit den ganzen erwerbstätigen Männern und Frauen, von denen wir vor allem sehr viele Männer nicht erreichen? Klar, die könnten auch von alleine kommen, aber vielleicht bieten ihnen die Gemeinden nicht das, was sie brauchen? Da wäre Werbung eine Maßnahme. Aber Werbung kann die Dinge nur bekannt machen und in Erinnerung rufen. Die Leute werden dann vielleicht nicht im nächsten Jahr häufiger kommen. Aber der Bezug geht weniger verloren. Es geht ja darum, dass die Beziehung überhaupt gehalten wird. 

"Menschen interessieren sich nur für andere Menschen"

Sollte Kirche über Massenmedien gehen?

Knapp: Ja, denn viele Menschen sind Kirchenmitglieder, gehören aber nicht zum aktiven Kreis. Und um diese anderen, diejenigen, die weniger Berührungspunkte haben, muss man werben, damit man sie nicht verliert.

Inwiefern ist Kirche überhaupt eine Marke? Kann sie eine werden?

Knapp: Rein von der Markenpräsenz gibt es eine sehr große Vielfalt in Deutschland, weil alle Landeskirchen eine andere Bezeichnung haben. Der Markenkern ist das "evangelisch sein". Aber eine gesamte Markenführung bundesweit gibt es nicht. Insofern kann auch Werbung nicht wirklich bundesweit stattfinden. Für das "evangelisch sein" vielleicht. Aber es gibt ja keine gesamte Kirche in dem Sinne. Und die Bindung der Menschen zur Kirche entsteht nach wie vor in den Gemeinden.

Menschen interessieren sich nur für andere Menschen. Wenn wir uns ansehen, wofür Menschen wirklich spenden, dann geben sie für Menschen – für Gebäude spenden Menschen nur dann, wenn es das Kirchengebäude ist, in dem sie getauft wurden, in dem sie geheiratet haben oder in dem ihre Kinder getauft wurden. In diesem Fall geben Menschen ihr Geld für etwas, dass mit wichtigen emotionalen Momenten in ihrem Leben verbunden ist.

Kann man für die Kirche Werbung machen wie für Schokolade?

Knapp: Das kann ich so nicht beantworten, ob das klappen würde. Schokolade ist ein Produkt, spirituelle Heimat ist ein Lebensgefühl. Im Grunde passiert das ja im Moment mit der Werbung für die Lutherdekade. Mit dem Hinarbeiten auf ein großes Event, ein großes Ereignis, was viele verbindet. Das ist auch Werbung. Aber so richtig klassische Mediawerbung wäre ja, TV- und Radiospots zu senden, Internetbanner und Plakate an Bushaltestellen und Flughäfen zu schalten. Genau das machen Gemeinden, Dekanate und Landeskirchen in den lokalen Medien bereits, indem sie Plakate in Schaufenstern und an Litfaßsäulen aufhängen und Gemeindebriefe verteilen. 

"Menschen zurückzugewinnen ist sehr aufwändig"

Reicht die herkömmliche gedruckte Werbung noch?

Knapp: Nein, deswegen muss es ja auch ein Mix sein. Es ist aber die Frage, wen Kirche erreichen will und welche Medien diese Gruppen im Alltag verwenden: Will ich die binden, die da sind, die sonst verloren gehen? Oder will ich die Jungen erreichen? Dann muss ich über deren Kanäle gehen, über Facebook zum Beispiel.

Werbung für die Kirche zu machen, heißt also nicht, Kirchensteuergeld hinauszuwerfen?

Knapp: Es ist ein Instrument zur Mitgliederbindung, das ist meine Meinung. Beim Fundraising, ganz eng gefasst, spielen zwei Dinge ein Rolle: Einerseits geht es um Beschaffung von Mitteln wie Zeit, Spenden, Sachmittel, Know-How etc... und andererseits geht es um Beziehungsmanagement. Unternehmen und große Spendenorganisationen wissen, dass es leichter ist, Stammkunden und Dauerspender zu halten, als neue zu gewinnen.

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Aus dieser Perspektive müsste Fundraising auch den Fokus auf diejenigen legen, die eine Dauermitgliedschaft haben, die jeden Monat ihr Geld abführen. Warum tun Menschen das überhaupt? Weil sie einen persönlichen Vorteil davon haben, sonst nicht. In irgendeiner Form müssen sie eine Bindung haben. Sie wollen vielleicht die Jugendarbeit unterstützen oder dass es weiterhin diakonische Einrichtungen gibt, Altenheim oder die Behindertenhilfe. Oder vielleicht auch nur, weil sie wissen: Dort heirate ich und meine Kinder werden dort getauft.

Werbung sollte also in erster Linie den Mitgliedern zeigen, warum sie weiterhin in der Kirche bleiben wollen? 

Knapp: Ja. Damit sie wissen, welchen Nutzen es ihnen bringt. Man sollte herausfinden, warum Menschen bleiben. Menschen zurückzugewinnen, die der Kirche schon den Rücken zugedreht haben, ist sehr aufwändig und kostet sehr viel Geld. Es ist leichter, Menschen mit noch bestehender Bindung an Kirche regelmäßig eine Rückmeldung zu geben, damit sie wissen, es gibt noch einen Punkt, an dem sie ansetzen können. Damit sie sagen können: Das bringt mir etwas.

Wie sehen Sie das? Reicht die Botschaft von Jesus Christus? Oder darf und muss die Kirche sich vermarkten? Schreiben Sie ihre Meinung in die Kommentare!