Der Organspende-Betrug in Göttingen hätte auffallen können

Foto: fotolia/Abel Mitja Varela
Die Ärzteschaft begrüßt die Änderungen im Transplantationsgesetz, die am 1. August in Kraft getreten sind: Mehr Kontrolle könne Missbrauch bei Organspenden verhindern.
Der Organspende-Betrug in Göttingen hätte auffallen können
Nach dem Organspende-Skandal am Uniklinikum Göttingen mehren sich die Forderungen nach Konsequenzen im deutschen Transplantationswesen. Politiker von CDU und FDP kündigten bereits mehr Kontrolle an, unterstützt von Grünen und Linken. Auch die deutschen Ärzte sprachen sich für mehr Transparenz aus.

Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) verteidigte das neue Transplantationsgesetz, sieht inzwischen offenbar aber auch Bedarf für Änderungen. Es werde sicherlich darüber hinaus noch Konsequenzen geben, sagte er am Mittwoch im rbb-Inforadio. Allerdings warnte er vor einem Schnellschuss: "Jetzt braucht es ruhige und solide Arbeit."

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Bahr sieht in erster Linie die zuständigen Organisationen gefordert. Er habe diese für August eingeladen, schaue sich die Vorschläge an "und dann werden wir in der Politik darüber beraten", sagte er.

Angesichts des Göttinger Falls steht die ganze Struktur des Spendewesens wieder in der Kritik. Der Vize-Vorsitzende der Unionsbundestagsfraktion, Johannes Singhammer (CSU) regte in der Tageszeitung "Die Welt" (Mittwochsausgabe) eine staatliche Aufsicht an. "Es ist nach dem Skandal an der Uniklinik Göttingen nicht mehr verantwortbar, auf die Selbstverwaltung zu setzen", sagte er.

Betrug in Göttingen hätte auffallen können

Die Organspende in Deutschland wird maßgeblich von der Deutschen Stiftung Organtransplantation organisiert. Die private Stiftung geriet im Frühjahr wegen Misswirtschaft in Kritik. Bei der Verabschiedung der Organspende-Reform im Bundestag mahnten Grüne und Linkspartei deswegen bereits bessere staatliche Kontrollmöglichkeiten an.

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Der Herzchirurg Bruno Reichart schloss sich dieser Forderung in der Wochenzeitung "Die Zeit" an. Die Übertragung der Zuständigkeit auf eine staatliche Behörde lehnte er aber ab. "Das dürfen wir auf keinen Fall den Politikern überlassen", sagte er.

Der Vorsitzende des Marburger Bundes, Rudolf Henke, sprach sich im NDR-Hörfunk für ein Vier-Augen-Prinzip bei der Meldung aus. Bisher leitet nur ein Arzt die Daten eines potenziellen Organempfängers an die internationale Vermittlungsstelle Eurotransplant weiter. Künftig sollten mehrere Mediziner die Werte der Betroffenen gegenzeichnen, um Missbrauch zu verhindern, sagte Henke.

Nach seiner Ansicht hätte damit auch der Betrug in Göttingen auffallen können. In der dortigen Uni-Klinik sollen Laborwerte von Patienten, die auf eine Spenderleber warten, manipuliert worden sein. Dadurch rutschten sie auf den Wartelisten für Organe nach oben und wurden schneller operiert.

Missbrauch wird immer irgendwie möglich sein

Der Vorsitzende der Ständigen Kommission Organtransplantation der Bundesärztekammer, Hans Lilie, begrüßte vor diesem Hintergrund die am Mittwoch in Kraft getretenen Änderungen im Transplantationsgesetz. Im Deutschlandradio Kultur verwies er auf die verstärkten Befugnisse der Kontrollkommission der Bundesärztekammer und die obligatorischen Transplantationsbeauftragten in Krankenhäusern, die potenzielle Organspender melden sollen.

Gleichzeitig warnte Lilie vor dem Wunsch, Betrug durch gesetzliche Regelungen völlig ausschließen zu wollen: "Sie können trickreichen Missbrauch fast nie verhindern." Es könne aber besser aufgeklärt werden.

Neben strukturellen Abläufen verbessert das neue Gesetz die Absicherung von Lebendspendern. Im November tritt auch die sogenannte Entscheidungslösung in Kraft. Alle Bürger sollen von ihren Versicherungen über Organspende aufgeklärt und zu einer Entscheidung aufgefordert werden. Ziel ist die Erhöhung der Organspendebereitschaft. In Deutschland warten rund 12.000 Menschen auf ein Spenderorgan.