"Das Beschneidungsgesetz ist ein Doppelstandard"

Ein traditionelles Beschneidungsbesteckt eines Mohel liegt auf einem hebräischen Alten Testament
Foto: dpa/David Ebener
Ein traditionelles Beschneidungsbesteckt eines Mohel auf einem hebräischen Alten Testament.
"Das Beschneidungsgesetz ist ein Doppelstandard"
Die religiöse Beschneidung von Jungen soll per Gesetz erlaubt werden. Den Entwurf aus dem Bundesjustizministerium hat das Bundeskabinett am Mittwoch beschlossen. Der Mainzer Medizinethiker Ilhan Ilkilic kritisiert allerdings die Regelung für religiöse Beschneider, denen der Eingriff in den ersten sechs Monaten erlaubt sein soll. Ilkilic, der auch Mitglied im Deutschen Ethikrat ist, spricht sich dafür aus, die Beschneidung nur Ärzten zu erlauben.
10.10.2012
epd
Corinna Buschow

Gut drei Monate sind seit Bekanntwerden des Kölner Urteils, das die religiöse Beschneidung als Körperverletzung gewertet hatte, vergangen. Ein Gesetz ist nun auf dem Weg. War es ein guter Prozess?

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Ilhan Ilkilic: Als Ethiker bin ich nicht dafür, dass alles gesetzlich geregelt wird. Ich wäre auch zufrieden gewesen, wenn die Praxis der Religionsgemeinschaften so weitergegangen wäre. Die erregte Debatte hat es aber nötig gemacht. Ich bin im Nachhinein dankbar, dass der Ethikrat zur Versachlichung der Debatte beigetragen und wichtige Perspektiven ergänzt hat. Diese Diskussion kann nicht naturwissenschaftlich und rein medizinisch entschieden werden.

Der Gesetzentwurf berücksichtigt Empfehlungen des Ethikrats. Fehlt Ihnen etwas?

Ilkilic: Die Berücksichtigung des Kindeswohls, das mir besonders wichtig ist, hätte vielleicht noch stärker gemacht werden können. Nach Aussagen von Juristen müssen Kindeswohl und Kindeswille aber laut anderen Gesetzen ohnehin berücksichtigt werden. Dies trifft dann wohl auch hier zu. Mir ist nur wichtig, dass andere Gesetze bezüglich der Kinderrechte nicht durch das Beschneidungsgesetz ausgehebelt werden.

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Das Gesetz soll auch religiösen Beschneidern in den ersten sechs Monaten nach der Geburt des Kindes den Eingriff erlauben. Bei Juden, die die Beschneidung am achten Tag nach der Geburt vornehmen, kann also weiterhin ein Mohel praktizieren. Eine gute Regelung?

Ilkilic: Diese Regelung scheint mir allein für Juden gemacht zu sein, was ich nicht verstehe. Bei Muslimen werden die Jungen meist erst später beschnitten. Aus muslimischer Perspektive bedeutet dieser Passus also einen Nachteil. Es wurde extra betont, dass es keine Sonderregelungen für religiös motivierte Beschneidungen geben soll und nun wird eine Gruppe bevorzugt. Das ist ein Doppelstandard und der säkulare Rechtsstaat muss eine Antwort darauf geben, warum dies nötig ist.

Der Zeitraum scheint mir willkürlich gewählt. Auch aus medizinischer Sicht ist er nicht legitimiert. Der Mohel hat nur die Möglichkeit der lokalen Schmerzbetäubung. Während am achten Tag nach der Geburt auch ein Arzt keine Vollnarkose anwenden würde, weil das Risiko zu groß ist, sieht das nach wenigen Monaten schon anders aus. Ich würde es befürworten, wenn Beschneidungen immer vom Arzt vorgenommen werden müssen. Er kann ja gleichzeitig auch Mohel sein.